Ohne Auto geht am ehesten in der Stadt. Was müsste man alles verändern, um auch bei Fahrten über Land oder bei Ausflügen in Weinberge ohne Kraftfahrzeug auszukommen?
Quelle: Kolumne von Michael Herl. Frankfurter Rundschau vom 01.08.2017
Eigentlich fahre ich ja schon lange kaum noch Auto. Ein eigenes habe ich seit zwanzig Jahren nicht mehr, was natürlich in der Großstadt einfacher ist als auf dem Land. Doch da der Mensch ja gelegentlich Weingüter aufsuchen muss, lebe auch ich nicht gänzlich kraftfahrzeugfrei, sondern bediene mich bei Bedarf der Wagen eines genossenschaftsähnlich organisierten Carsharing-Unternehmens.
Dieses erscheint mir sinnvoller als die vielen Anbieter, hinter denen Großkonzerne stehen, die aus Gewinnstreben handeln und nicht aus Gründen des Umweltschutzes. Außerdem sind deren Konzepte auf Bedarfe ausgerichtet, für die man eigentlich gar kein Auto braucht. Der urbane Businessler soll nämlich meines Erachtens innerstädtisch keinen „Cityflitzer“ benutzen, sondern ein Fahrrad. Auch ein kleines Auto ist ein Auto und muss mittelfristig weg.
So natürlich auch das Modell, das ich unlängst bewegte. Doch ich muss sagen: wenn schon Auto, dann so eins. Es war ein Toyota Hybrid. Ein Fahrzeug mit zwei Motoren, das seine durch Bremsen und Bergabfahrten erzeugte Energie in Strom umwandelt und dann wieder für den Antrieb nutzt. Der Benzinmotor schaltet sich nur bei Bedarf dazu. Das ist zwar nichts für lange Autobahntouren, aber dafür gibt es eh die Bahn.
Für Fahrten in hügeligen Gegenden hingegen ist das Konzept ideal. Ich bin mir sicher, dass die Toyota-Techniker bei der Entwicklung dieses Autos einen Winzerbesucher vor Augen hatten. Man gehe nur mal zu einer Weinauktion in Frankreich, dort kommen die meisten der Anwesenden aus Japan.
Was hingegen deutsche Autobauer für Ideale im Hirn haben, möchte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Sehr schnell kommt mir dann nämlich ein österreichischer Homunkulus in den Sinn, der wahnhaft dem Bau von Autobahnen verfallen war.
Dessen Hirngespinste scheinen immer noch durch die Köpfe der hiesigen Konstrukteure zu wabern. Ein deutsches Auto ist wie ein deutscher Panzer: kraftstrotzend, schnell, spritsaufend, zerstörerisch und gewinnbringend. Dass die Wirtschaft bei seiner Herstellung genauso brachial zu Werke geht wie bei der Rüstungsproduktion, bedarf längst keines Beweises mehr. Die jüngsten Abgasskandale sprechen ihre eigene Sprache.
Wer braucht schon Umweltschutz, wenn es um Profite geht (über die dann ein Deckmäntelchen mit der Aufschrift „Arbeitsplätze“ gelegt wird). Dass es auch anders geht, beweist Toyota. Dort hat man schon am Hybrid geforscht, als die Deutschen noch glaubten, an ihrem Wesen werde die Welt genesen. Das daraus resultierende Dilemma ist nun da.
Also was tun? Ganz einfach. Wir haben wieder eine typisch merkelsche Tacheles-Situation. Also steht das Gleiche an wie beim Ausstieg aus der Atomkraft: radikal handeln. Autogerechte Dummschwätzer wie den pseudogrünen Kretschmann pensionieren und tun, was längst überfällig ist: Dieselstinker verschrotten, Übermotorisierung verbieten, Tempo 120 auf der Autobahn einführen und Tempo 30 in Städten.
Zeitgleich Carsharing massiv ausbauen und Konzepte entwickeln, die auch auf dem Land funktionieren. Und vor allem: Den öffentlichen Personennahverkehr konsequent vorantreiben. Flächendeckend muss er werden, und preiswert muss er werden, am besten kostenlos. Wann, wenn nicht jetzt?
Michael Herl ist Autor und Theatermacher.
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