Warum wir alle ein wenig Alexander Jorde sein sollten

Nicht oft schaut man beim Zappen abends in die Glotze und merkt plötzlich, dass Menschen mit klaren Positionen und Vorstellungen, ihrem Ärger über die offensichtliche Stagnation der Politik durch Aussitzen, so mutig und punktuell hart, Luft machen – aber es gibt ja noch Alexander! Danke!

 

Bei Frank Plasberg – Hart aber Fair – geht es (am 09.10.2017) um den Pflegenotstand in Deutschland. Vor allem ein junger Gast sorgt dabei für Aufsehen. Der angehende Krankenpfleger Alexander Jorde hat es zu einiger Berühmtheit gebracht. In der ARD-Sendung “Wahlarena” brachte er mit seiner Kritik an den Zuständen im Pflegesystem Kanzlerin Angela Merkel vor der Wahl kurz aus der Fassung. Damit bescherte er dem eher trägen Wahlkampf einen der wenigen überraschenden Momente. Kein Wunder also, dass der sprachgewandte Azubi auch zu den Gästen von Frank Plasberg gehört, als es bei ihm am Montagabend um den Pflegenotstand in Deutschland geht. Und Jorde enttäuscht die Erwartungen nicht.

“Angela Merkel versteht Problem nicht”

Der Auszubildende nimmt erneut kein Blatt vor den Mund. Ob er glaube, dass seine Kritik die Bundeskanzlerin zum Nachdenken gebracht habe, will der Moderator wissen. “Nein. Ich glaube auch, dass sie das Problem einfach gar nicht versteht”, antwortet Jorde.

“Das Problem” wird dafür in der Sendung von den Gästen ausgiebig auf den Punkt gebracht:

In unterbesetzten Krankenhäusern und Altenheimen schuften Pfleger bis zur Erschöpfung. Gleichzeitig haben gerade Senioreneinrichtungen vielerorts einen so schlechten Ruf, dass nur 15 Prozent der Deutschen von sich sagen, dass sie ihren Lebensabend in einem Pflegeheim verbringen wollen. Die Sat.1-Moderatorin Andrea Kaiser etwa schildert, dass sie ihren dementen Vater nicht in einem Heim unterbringen will – ihrer 70 Jahre alten Mutter aber auch nicht mehr ewig seine Pflege zumuten kann. “Ich suche eine Lösung, die es nicht gibt.” Das Thema Pflege habe nicht den Stellenwert, den es brauche, sagt auch Stephan Baumann, Mitgesellschafter mehrerer Pflegeeinrichtungen.

Ökonom plädiert für private Vorsorge

Sind sich in der Runde also alle einig? Nicht ganz. Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln zieht den Zorn der anderen Gäste auf sich. Der Ökonom kritisiert die “Zwangsfinanzierung” des deutschen Pflegesystems und lässt kurz Sympathie für die gesundheitspolitischen Positionen der FDP erkennen. Da bekommt er es mit Alexander Jorde zu tun. Der Pflege-Azubi kann mit der Forderung des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner nach “mehr Effizienz” im Pflegebereich nämlich gar nichts anfangen. “Wir bauen keine Autos zusammen, wir pflegen Menschen”, sagt er. Und als Ökonom Pimpertz sich dafür ausspricht, dass Bürger vermehrt privat für ihre eigene spätere Pflege vorsorgen sollten, fertigt ihn Jorde gleich noch einmal ab.

“Wie soll denn jemand, der den Mindestlohn bekommt, noch privat vorsorgen?”, fragt er. Applaus im Publikum, Pimpertz ist sichtlich verdattert. Und Jorde setzt noch einmal nach: “In Amerika, ja, da gibt es eine bessere Versorgung – aber auch nur für die, die es sich leisten können.”

Ein “Pflichtenheft” – aber niemand, der es mitnimmt

Am Ende listet er dann auch noch ein paar Forderungen auf: “Mehr Geld für das Pflegesystem” zum Beispiel. Oder auch “weniger Bürokratie”. Aber das ist dann doch reichlich allgemein gehalten. Das Problem: Politiker aus den Parteien, die wahrscheinlich die nächste Bundesregierung stellen werden, sind ja gar nicht im Studio, um die Liste mitzunehmen. Bleibt zu hoffen, dass sie alle am Fernseher zugeschaut haben. Aber vielleicht hätte die Redaktion doch zumindest einfach den amtierenden Bundesgesundheitsminister einladen sollen.

Ricardo Blaszczyk – BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Ortsverband Warburg

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