Gemeinsam stark gegen Mobbing im Netz

Beleidigt, bloßgestellt, bedroht – jede*r siebte Schüler*in wurde bereits in Sozialen Netzwerken oder per WhatsApp gemobbt. Unsere bildungspolitische Sprecherin Sigrid Beer hat sich mit Lukas Pohland über dieses Problem ausgetauscht. Der 13-Jährige wurde selbst online gemobbt und hilft nun anderen Jugendlichen. Gemeinsam mit der Cyberpsychologin Dr. Catarina Katzer hat er Maßnahmen gegen Cybermobbing an Schulen entwickelt und sich an die Landespolitik gewandt.

Sigrid Beer tauscht sich mit Cybermobbing-Expert*innen Lukas Pohland (13) und Dr. Catarina Katzer aus

Sigrid Beer hat die beiden sofort zum Austausch in den Landtag NRW eingeladen. Wie es dazu kam, dass der 13 Jahre alte Schüler aus Schwerte die Initiative „Cybermobbing Hilfe“ gestartet hat und anderen betroffenen Jugendlichen sogar mit einer telefonischen Beratung hilft, darüber haben wir mit ihm im Kurzinterview gesprochen.

Seit wann setzt Du Dich gegen Cybermobbing ein und wie kam es dazu?

Lukas Pohland: Ich setze mich gegen Cybermobbing ein, seitdem ich selbst Betroffener wurde. Eine damalige Schulkameradin wurde über den digitalen Messenger „WhatsApp“ fertig gemacht und in Gruppen aus Täterinnen und Tätern beleidigt. Als ich sie unterstützt habe, wurde ich auf einmal auch gemobbt. Über soziale Netzwerke – egal ob SMS, Facebook oder Twitter – alles war dabei. Diese Vorfälle geschahen im Frühjahr 2017.

Was kann jede und jeder gegen Cybermobbing tun?

Lukas Pohland: Nun, natürlich kann jeder Außenstehende aber auch jeder Betroffene etwas gegen Cybermobbing tun. Sich vor Cybermobbing zu schützen, ist so aber nicht unbedingt möglich. Jeder der in sozialen Netzwerken aktiv ist, kann gemobbt werden. Wobei ein Verzicht auf Internet und Handy auch nicht viel nutzt und zudem eine große Einschränkung wäre. Als Betroffener sollte man sich unbedingt Hilfe holen! Und ganz wichtig: mit Jemanden über seine Probleme sprechen – das können die Eltern, der beste Freund, ein Schulsozialarbeiter oder sonstige vertraute Personen sein. An Außenstehende kann ich nur appellieren: Guckt nicht zu, sondern helft den Betroffenen. Die Menschen die drumherum stehen haben die Macht!

Warum hast Du Dich an die Ministerin und die schulpolitischen Sprecherinnen der Landtagsfraktionen gewandt und welche Reaktionen hast Du bekommen?

Lukas Pohland: Ich habe mich, gemeinsam mit der Cyberpsychologin Dr. Catarina Katzer an die Ministerin Yvonne Gebauer und die schulpolitischen Sprecher der Fraktionen im Landtag gewendet, weil die Bildungspolitik dringend tätig werden muss. Eine Schule darf nämlich nicht zusehen, sondern muss im Falle von Cybermobbing tätig werden. Des Weiteren spielt die Präventionsarbeit an Schulen eine umfassende und zugleich extrem wichtige Rolle: Wir brauchen in Nordrhein-Westfalen ein Präventionsmanagement aus drei Säulen: Eltern, Lehrer und Schüler. An den Schulen muss zwangsläufig in den nächsten Jahren eine Aufklärung und Sensibilisierung über Gefahren und Risiken des Internets durchgeführt werden und eine altersgerechte Medienerziehung, die im Kindergarten beginnt und in der Schule implementiert wird. Dazu braucht man feste Lehrplaneinheiten in mehreren Fächern und die obligatorische Einrichtung des Fachs „Medienerziehung“ an Schulen.Eine dementsprechende Rückmeldung besteht bislang nur seitens der Fraktion BÜNDIS90/DIEGRÜNEN und des Ministeriums für Schule und Bildung.

Welche Bilanz ziehst Du nach dem Gespräch mit Sigrid Beer und Deinem ersten Besuch im Landtag?

Lukas Pohland: Ich gehe sehr positiv aus dem Gespräch mit Sigrid Beer. Ich finde es total klasse, dass sie sich dem Thema widmen möchte und die anderen Fraktionen mit einbeziehen möchte. Cybermobbing ist nämlich ein Thema was Alle angeht.

 

Die Cyberpsychologin Dr. Catarina Katzer hat das Konzept eines digitalen Präventionsmanagements entwickelt und berät als Präventionsexpertin u.a. die Enquete-Kommission „Internet & digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages. Sie fordert, dass alle mit offenen Augen durch Netz gehen sollen und Verleumdungen, Diskriminierungen und Mobbing anzeigen. Gemeinsam mit Lukas hat sie Ideen entwickelt, wie Cybermobbing an Schulen begegnet und verhindert werden kann.

Wie groß ist das Problem Cybermobbing, wie viele Kinder und Jugendliche erleben solche Anfeindungen im Netz?

Dr. Catarina Katzer: Cybermobbing ist mittlerweile ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene betrifft. Gerade im beruflichen Umfeld spielt Cybermobbing eine immer größere Rolle. 7 Prozent der deutschen, erwachsenen Internetuser geben an, Cybermobbing erlebt zu haben, 20 Prozent haben dies bereits beobachtet (Cyberlife Studie 2014, Bündnis gegen Cybermobbing e.V.). Unsicherheiten, Umstrukturierungen, Digitalisierung – vieles lässt Ängste entstehen und fördert dieses Verhalten. Allerdings sehen wir auch eine immer stärkere Akzeptanz von Aggression – sie wird salonfähig und das ist bedenklich (ARAG Digital Risk Expert Study 2016). Schauen wir auf Kinder und Jugendliche, zeigt unsere aktuelle Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing aus dem Jahr 2017, dass insgesamt jeder Siebte zwischen 6 und 18 Jahren Cybermobbing erlebt. Das macht ca. 1,4 Millionen Betroffene. Dabei ist die  Altersgruppe zwischen 14 und 16 Jahren klar die am stärksten betroffene, hier ist es fast jeder Vierte. Aber wir haben auch verstärkt jüngere Opfer. Immer mehr Kinder besitzen Smartphones, deshalb sind auch die Grundschulen vermehrt betroffen.
Ein weiteres Problem ist, dass sich die Formen von Cybermobbing in den letzten Jahren teils extrem verändert haben. Hassgruppen oder die Veröffentlichung beleidigender Fotos und Videos auf Facebook, Instagram, Youtube oder über WhatsApp werden immer zahlreicher. Auch läuft Cybermobbing nur noch selten über den Computer, stattdessen werden immer öfter Smartphones zur „Smart Weapon“, zur digitalen Waffe. Und die Auswirkungen können dramatisch sein, jeder fünfte jugendliche Betroffene hat Suizidgedanken.

Lukas hat eine eigene Webseite und Hotline für Jugendliche, die Mobbingerfahrungen machen mussten, gegründet. Wie wichtig ist solche Unterstützung?

Dr. Catarina Katzer: Dieses Engagement ist am allerwichtigsten und auch am wirkungsvollsten! Wenn die Zielgruppe, die peers, also Kinder und Jugendliche selbst aktiv werden, Verständnis für die Problematik und vor allem Flagge zeigen, nach dem Motto: Helfen ist cool! Dadurch werden sie auch zu Vorbildern für andere.

Sie machen gemeinsam konkrete Vorschläge, wie Mobbing in der Schule begegnet und Betroffenen dort geholfen werden kann. Wie können Jugendliche darüber hinaus und auch Erwachsene Attacken im Netz verarbeiten und idealerweise verhindern?

Dr. Catarina Katzer: Was wir dringend brauchen ist mehr digitale Zivilcourage! Wir müssen mehr mit offenen Augen durchs Netz gehen, aktiv einschreiten, den Mut haben, andere anzusprechen und auch Dinge zu melden, die nicht in Ordnung sind, sei es den Betreibern oder amtlichen Meldestellen. Dabei müssen wir uns aber auch mehr dafür sensibilisieren, wie sich jemand in unserem Umfeld, auch Online, verändert. Denn die meisten Opfer schweigen, aus Scham und Angst. Somit müssen wir als Zuschauer oder Bystander signalisieren können, ich bin da und höre dir zu, wenn du mich brauchst. Das ist aus Sicht der Betroffenen die erste wichtige Hilfestellung.

Quelle: Grüne Fraktion NRW

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