Forderungen der Gleichstellungsbeauftragten Höxter

…anlässlich des Ministerinnenbesuchs am 14. März 2018

Am 14. März 2018 hat die Ministerin für Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen, Frau Ina Scharrenbach, im Rahmen der Frauenaktionswochen Höxter 2018 besucht. Dieser Besuch wurde von Ilona Drüke von der Frauenunion Höxter initiiert.

Neben dem Grußwort des Bürgermeisters und auch des Landrates sowie des Referates der Ministerin zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“ wurde mir die Möglichkeit eingeräumt, die Wünsche und Sorgen aus dem Themenbereich Gleichstellung vorzutragen. Dies wurde durch Claudia Pelz-Weskamp im Namen des Frauennetzwerks Höxter, des Arbeitskreises gegen Gewalt an Frauen und Kinder im Kreis Höxter sowie im Namen des Arbeitskreises der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Höxter getan. Ihre Ansprache wurde zusätzlich in einem Brief an die Ministerin komprimiert, damit die Ministerin die Anregungen auch mit nach Düsseldorf nehmen kann. Bitte lesen sie den Brief aufmerksam. Es wurde viel daran gefeilt und einige Dinge, die zunächst eingebaut waren, wurden wieder raus genommen, da z. B. nicht das Ressort der Ministerin betroffen wurde oder aber weil es andere Finanzierungs- oder Umsetzungsmöglichkeiten gibt. Außerdem sich auf die drängendsten Probleme beschränkt.

Der Brief

Sehr geehrte Frau Ministerin Scharrenbach,

zahlreiche Gruppen, Institutionen und Verbände aus Höxter und den benachbarten Städten im Kreis Höxter, die sich für frauenrelevante Themen einsetzen, haben anlässlich Ihres Besuches in Höxter folgende Wünsche für unsere Region formuliert:

Themenfeld Gewalt  *) siehe hierzu Erläuterungen

  • Auskömmliche und gesicherte Finanzierung (kein Projektstatus / keine freiwillige Leistung) der im Kreis Höxter bestehenden Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen und des Frauen- und Kinderschutzhauses durch Landes-(oder Bundes-)mittel (also aus einer Hand).
  • Genereller kostenfreier Zugang zum Frauen- und Kinderschutzhaus.
  • Unterstützung bei der Einrichtung einer Anlaufstelle für Täterarbeit gegen häusliche Gewalt und andere Gewalt.

Themenfeld Gleichstellungsbeauftragte **) siehe hierzu Erläuterungen

  • Verpflichtung aller Kommunen zur Einstellung einer Gleichstellungsbeauftragten.
  • Festlegung ausreichender Arbeitszeitanteile und Festlegung einer den Aufgaben entsprechenden Vergütungs- bzw. Besoldungsstruktur sowie eines auskömmlichen Budgets für kommunale Gleichstellungsbeauftragte.

Themenfeld „Frauen in die Politik“ ***) siehe hierzu Erläuterungen

  • Finanzierung von Aktionsprogrammen (z. B. Mentoring-Programme / Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Mandat und Familie) zur Stärkung der Repräsentanz von Frauen in der Politik durch Landesmittel

Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sehen dringenden Handlungsbedarf zu den oben aufgeführten Punkten in den Städten und Dörfern des Kreises Höxter.

Für uns ist die Situation, dass lediglich das jährliche Akquirieren von Spenden den Bestand der dringend notwendigen Hilfeeinrichtungen in unserer Region sichern, ein nicht mehr zu akzeptierender Zustand.

Unser Engagement und Herzblut, unsere Kreativität und Netzwerkarbeit reichen letztendlich nicht aus, die Gleichstellung von Mann und Frau in unseren Kommunen zu realisieren. Hier benötigen wir Ihre Initiative als Ministerin für Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen für strukturelle Verbesserungen in unserer Region. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sind gerne bereit, Sie hier vor Ort bei der Umsetzung zu unterstützen.

Wir hoffen auf Ihre Hilfe und beobachten mit großem Interesse die Umsetzung unserer Wünsche in Ihrer politischen Arbeit.

Höxter, den 14. März 2018

Für das Frauennetzwerk in der Stadt Höxter
Claudia Pelz-Weskamp Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Höxter

Für den Arbeitskreis der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Höxter
Christiane Klare Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Beverungen

Für den Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen und Kinder im Kreis Höxter
Gaby Böker Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Höxter


Die Erläuterungen

*) Erläuterung zu Punkt 1 im Themenfeld Gewalt

Beratungsstelle gegen Gewalt an Frauen:

Erst 2016 gelang es durch das gemeinsame Engagement verschiedener Arbeitskreise nach zähen Verhandlungen mit dem Ministerium für Gleichstellung NRW eine Beratungsstelle für Frauen, die Gewalt und häusliche Gewalt erfahren, unter der Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt – Kreisverband Höxter einzurichten. Das Ministerium sagte einen Förderbetrag i. H. v. 85 % der Personalkosten und einen Festbetrag für Sachkosten zu.

Die Finanzierung des noch verbleibenden Eigenanteils gestaltet sich jedoch bis heute äußerst schwierig, denn der Kreis sowie der Träger können den notwendigen Deckelungsbetrag nicht vollständig aufbringen. Erst die Spendenzusage eines Serviceclubs (jährlich 4000 Euro für allerdings nur fünf Jahre) ermöglicht derzeit die volle Finanzierung der Beratungsstelle. Nach Ablauf dieser Spendenzusage im Jahr 2021 muss um den Erhalt der dringend benötigten und einzigen Frauenberatungsstelle im Kreis Höxter gebangt werden.

Frauen- und Kinderschutzhaus:

Vergleichbar problematisch gestaltet sich die Finanzierung des Frauen- und Kinderschutzhauses im Kreis Höxter (Träger: Sozialdienst Katholischer Frauen e. V. Warburg). Zwar hat das Land 2017 den Frauenhäusern einen größeren finanziellen Spielraum bei den Sachausgaben eingeräumt und die Personalkosten um rund 2,5 v. H. erhöht, doch vor dem Hintergrund der wachsenden Zahl gewaltbetroffener (nicht nur geflüchteter) Frauen ist dies unseres Erachtens nicht ausreichend. Hinzu kommt die sehr enge finanzielle Situation der Kommunen im ländlichen Raum, deren freiwillige Unterstützung entsprechend gering ausfallen muss. Auch hier sorgen letztlich Spenden für eine auskömmliche Finanzierung.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass Frauen auch aus anderen Kreisen in den Schutzhäusern aufgenommen werden müssen, damit sie möglichst weit entfernt vom Täter Schutz finden können. Dies führt immer wieder zu Finanzierungsdiskussionen zwischen Träger und Kreis. Eine Finanzierung der Frauenschutzhäuser als überkommunalen Aufgabe (aus einer Hand / aus Landes-(oder Bundes-)mitteln) ist u. E. dringend angezeigt.

*) Erläuterung zu Punkt 2 im Themenfeld Gewalt

Als skandalös betrachten wir den Umstand, dass Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt sind und Schutz im Frauenhaus suchen, ihr Einkommen für die Finanzierung des (unfreiwilligen) Aufenthaltes verwenden müssen. Wir wünschen uns einen kostenfreien Zugang zum Frauen- und Kinderschutzhaus. Dies würde auch einen entbürokratisierenden Effekt haben.

*) Erläuterung zu Punkt 3 im Themenfeld Gewalt

Besonders notwendig erachten wir die Installierung der Täterhilfen für Männer, die häusliche Gewalt anwenden. Bisher gibt es weder eine Täterhilfe oder eine Tätergruppe noch Trainings zum Erlernen von gewaltfreiem Verhalten oder gar eine Nachsorge. Es besteht im Kreis Höxter keine Anleitung und Unterstützung der Täter zur Selbstreflektion und Verhaltensänderung. Opfer häuslicher Gewalt müssen aktive Veränderungen vom Täter einfordern können.

Die Beratung oder die sichere Unterkunft der Opfer reicht als Opferschutz nicht aus. Täterhilfe ist auch Opferschutz! Hier müssen Landesmittel für neue Einrichtungen für Täterarbeit bereitgestellt werden.

**) Erläuterung zum Themenfeld Gleichstellungsbeauftragte

Der Kreis Höxter umfasst 10 Kommunen. Davon verfügen lediglich 6 Städte sowie die Kreisverwaltung über eine Gleichstellungsbeauftragte. Alle Gleichstellungsbeauftragten haben neben dieser Funktion noch andere Aufgaben zu erfüllen.

Der Stundenanteil für die Gleichstellungsarbeit sieht in den Kommunen wie folgt aus:

Stadt Höxter: 26 Stunden / Woche
Stadt Bad Driburg: 8 Stunden / Woche
Stadt Brakel: 2 Stunden / Woche
Stadt Beverungen: 5 Stunden / Woche
Stadt Steinheim: 4 Stunden / Monat (!)
Stadt Warburg: 3 Stunden / Woche
Kreis Höxter: 8,5 Stunden / Woche

Dies macht deutlich, dass fast alle Kommunen nicht bereit sind, einen auskömmlichen Arbeitszeitanteil für die Gleichstellungsarbeit vorzuhalten. Ein für die Kommunen gesetzlich festgelegter und für die Aufgabenerfüllung ausreichender Arbeitszeitanteil der Gleichstellungsbeauftragten ist notwendig – auch für Gemeinden unter 10.000 Einwohner_innen.

Angebote wie z. B. Selbstbehauptungskurse für Mädchen und Frauen, Brustkrebsseminare, Mentoring-Programme „Frauen in die Politik“, Aktionstage zum Thema „Gewalterfahrung“ oder zum Thema „Wiedereinstieg in den Beruf“ u. v. a. m. erreichen nicht die Bürgerschaft der Kommunen, die über keine Gleichstellungsbeauftragte verfügen, denn die Initiatorinnen, die spezialisierten Ansprechpartnerinnen sowie die notwendigen und hilfreichen Netzwerke fehlen in diesen Städten. Bei kreisweiten Projekten übernehmen die Gleichstellungsbeauftragten quasi die Arbeit der nicht existenten Gleichstellungsbeauftragten der Nachbarstädte, um eben diese Benachteiligung der Bürgerschaft abzufedern. Dies ist ein unzumutbarer Umstand, blickt man auf den geringen Arbeitszeitanteil der Gleichstellungsbeauftragten.

Die Budgets der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Höxter sind äußerst gering oder aber es gibt überhaupt kein Budget. Dies hat zur Folge, dass für zu finanzierende Projekte die Zustimmung des Bürgermeisters / der Bürgermeisterin eingeholt werden muss. Eine fachliche Weisungsfreiheit der Gleichstellungsbeauftragten ist dadurch nicht mehr gewährleistet.

***) Erläuterung zum Themenfeld „Frauen in die Politik“

2017 bewarben sich die Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen in OWL bei der EAF / Helene-Weber-Kolleg Berlin für ein Mentoring-Programm „Frauen macht Politik – Mehr Frauen in Parlamente“.

Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Höxter konnten schließlich 11 Personen (6 davon aus der Stadt Höxter) für das Programm anmelden.

Außerdem durften sie Gastgeber für das vom EAF organisierte OWL-Mentee-Treffen sein.

Zusätzlich zu den vom EAF initiierten drei Treffen boten die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Workshops, Info-Veranstaltungen und Seminare für die Mentorinnen, die Mentees, aber auch für alle politisch interessierten Frauen in ihren Kommunen an.

Dieses ein Jahr dauernde Mentoring-Programm gestaltete sich angesichts der sehr geringen zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Gleichstellungsstellen im Kreis Höxter (siehe Themenfeld Gleichstellungsbeauftragte) äußerst schwierig. Trotzdem konnten die Tandems, das Helene-Weber-Kolleg sowie die Gleichstellungsbeauftragten zum Ende des Projektes ein sehr positives Resümee ziehen (siehe auch: http://frauen-macht-politik.de/mentoring/hwk-mentoringboerse-2017.html).

Tatsächlich sind zwei der damaligen Mentees inzwischen in ihren Parteivorstand gewählt worden.

Derzeit weisen die hiesigen Räte folgenden Frauenanteil auf:

Rat der Stadt Höxter: 22 %
Rat der Stadt Bad Driburg: 28 %
Rat der Stadt Brakel: 16 %
Rat der Stadt Beverungen: 19 %
Rat der Stadt Steinheim: 12 %
Rat der Stadt Warburg: 16 %
Rat der Stadt Borgentreich: 7 %
Rat der Stadt Willebadessen: 26 %
Rat der Stadt Marienmünster: 9 %
Rat der Stadt Nieheim: 12 %
Kreistag: 14 %

Mit Blick auf die Kommunalwahl im Jahr 2020 und darüber hinaus, könnte ein vom Land finanziertes und unterstütztes Aktionsprogramm den niedrigen Frauenanteil in den Parlamenten auf lange Sicht erhöhen. Dieser Weg muss u. E. endlich beschritten werden, um eine repräsentative Teilhabe von Frauen in den politischen Entscheidungsgremien zu gewährleisten.

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