Robert Habeck auf der Landesdelegiertenkonferenz NRW 2018 Troisdorf

Wir leben in Zeiten des Umbruchs. Es geht jetzt darum, welche Richtung wir einschlagen: Liberale Demokratie oder illiberale Autokratie, europäische Einigung oder nationale Abschottung. Unsere Richtung ist klar – und gemeinsam sind wir viele! Darüber habe ich in meiner Rede auf dem Parteitag des Landesverbands NRW am Freitag gesprochen.

Auszüge aus der Rede, Mitschrift ohne Gewähr auf Richtigkeit. Der Link zur Rede oben.

„[…] Wir lassen nicht zu, dass mit der Verrohung der Sprache auch eine Verrohung der Politik einzieht. Das ist das, was derzeit in der globalen Welt und jetzt auch in Deutschland verhandelt wird. Lasst uns eine Gegenbewegung starten. Lassen wir nicht zu, dass der Diskurs der Rechten das politische Spektrum immer weiter nach rechts verschiebt. Es ist unsere Aufgabe, auf der progressiven linksliberalen Seite eine Dynamik, eine Leidenschaft und einen Optimismus zu entfachen, der den Diskurs wieder in die Mitte, in das progressive Zentrum führt. […]

Es ist im deutschen Interesse, dass die europäische Einigung eine Erfolgsgeschichte wird. Also muss doch Deutschland seine starke Rolle, sein eigenes Interesse so wenden, dass wir solidarisch mit den Staaten Europas sind. […]

Die Politik der CSU zielt darauf, die historische Aufgabe der europäischen Einheit, die Entwicklung der europäischen Union zu zerstören. Was wir hier sehen, ist das Einreißen einer Politik im Grunde bis hinter Konrad Adenauer, ist das Einreißen einer Politik von letztlich der Aussöhnung in Europa, ist im Inneren das Einreißen einer Politik von Einigkeit und Recht und Freiheit zu Gunsten der ersten Strophe der Nationalhymne. Das ist das, was Söder angekündigt hat, und das können wir nicht durchgehen lassen. […]

Ich weise darauf hin, dass die CSU Victor Orban zu ihrem Neujahrstreffen eingeladen hat und danach Dobrindt gesagt hat, Orbans Politik ist bürgerlich im besten Sinne. Ein Mann, der Rechtstaatlichkeit, Pressefreiheit, Gewaltenteilung einschränkt, ist „bürgerlich“ nach der CSU „im besten Sinne“. Diese Politik der CSU („konservative Revolution“) ist eine Herausforderung für alle liberalen Demokraten. […]

Freiheit versus Autorität, Liberalität versus Illiberalität, Rechtstaatlichkeit versus autoritäres Mackergehabe, dieser Riss geht durch viele Parteien. Es gibt eine Partei, die diese Pole nicht hat: Wir GRÜNE haben das entschieden. […] Deswegen glaube ich mit großer Ernsthaftigkeit: Es wird auf unsere Entschlossenheit und Geschlossenheit und Kampfbereitschaft ankommen, dass wir den Gegenpol bilden zu dieser autoritären Machtverschiebung. […] Die anderen werden sich entscheiden müssen. Und ich sage voraus, wer unentschieden ist in dieser Zeit, wird bedeutungslos werden. Wir haben uns entschieden und wir müssen das einlösen. […]

Die ökologischen Probleme sind die Schicksalsfragen dieser Zeit. […]

Wir brauchen eine Politik, die garantiert, dass jeder, egal wie das Schicksal ihm mitspielt, nicht in die Würdelosigkeit fällt. […]

All die großen Herausforderungen: Klimawandel, Migration, die Hoffnung auf Frieden in der Welt bewahren, eine faire Besteuerung von internationalen Großunternehmen, kann irgendeine Antwort auf diese Probleme national sein? Wer das glaubt, lügt sich in die Tasche.

Der Gegensatz, der aufgemacht wird, hier die Nation, in der alles geordnet ist, Deutschland, und da Europa, „wo die deutschen Interessen verraten werden“, wie er von den Populisten gemalt wird, ist schäbig, dümmlich, falsch. Es gibt diesen Gegensatz nicht, sondern im Interesse einer stabilen Gesellschaft hier liegt es, die europäische Integration voranzutreiben. Im Interesse der europäischen Integration muss Deutschland seine Fähigkeiten einbringen. Das sind keine Gegensatzpaare, das sind kommunizierende Röhren. Das zu erkennen bedeutet, eine offene, eine freiheitliche Politik immer europäisch zu machen. Das wird die entscheidende Auseinandersetzung sein. […]

Ist eigentlich die Politik selbst noch zeitgemäß und auf der Höhe der Zeit?

Ohne den Klimawandel, ohne die Digitalisierung hätten wir nicht diese extremen Spannungen. Alle technische Entwicklung verläuft exponentiell, eruptiv. Politik ist ein Sicherheitssystem, ein statisches System. Das führt dazu, dass die Langsamkeit der Politik und die Drastik der gesellschaftlichen Entwicklung krass auseinanderlaufen. Dieses Unwohlsein, diese mangelnde Fairness in der Gesellschaft, das spüren die Menschen. Und das spüren wir auch, ehrlicherweise, jeder spürt das eigentlich ein bisschen.

Deswegen brauchen wir neue Wege der politischen Kommunikation, eine neue Sprache, eine neue Hinwendung zur Gesellschaft, Zuhören. Sich angreifbar machen, andere Meinungen zulassen, streiten, um angreifen zu können. Führung bedeutet heute, nicht führen zu wollen, sondern dienen zu wollen. Zuzuhören, um Antworten zu geben. Und das meine ich nicht als Überheblichkeit oder als Stolz, sondern eher als Bürde, als Aufgabe: Welche kleine Partei wir eigentlich sind, und welche großen Aufgaben wir zu bewältigen haben. […]

Der Geist dieser Partei ist ein streitbarer, ein ringender Geist, einer, der offen ist, der Leute motiviert. Es ist dieser Geist, diese Möglichkeit, aus dem Ringen miteinander, aus dem Zuhören, aus dem Zulassen von neuen, fremden Meinungen eine Dynamik zuzulassen, die jetzt übersetzt werden muss in eine neue politische Haltung. Es kommt auf uns an, größer zu denken und unsere kleine Partei in die große Verantwortung zu bringen, dass unser Land nicht nach rechts in die autoritäre Politik abdriftet.

Greifen wir den Stier bei den Hörnern und streicheln wir ihn, bis er in die Knie geht.“

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