5G für alle – eine kritische Betrachtung durch Matthi Bolte-Richter

Liebe Freundinnen & Freunde,

eine der wirtschaftlich stärksten Nationen der Erde wird mehr und mehr digital abgehängt. Die Leistungsbilanz beim Netzausbau ist dürftig. Funklöcher und digitale Buckelpisten prägen das Bild. Die Misere ist politisch verursacht – und sie droht sich fortzusetzen, denn bei der Vergabe der Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G machen Landes- und Bundesregierung falsch, was man falsch machen kann.

Wir wollen für NRW eine Versorgung aller Bürger*innen mit dem neuen, leistungsstarken Mobilfunkstandards 5G erreichen. Immer mehr internetfähige Geräte, immer größere Datenmengen und der Bedarf nach höheren Übertragungsgeschwindigkeiten machen 5G dringend erforderlich. Auch der Wandel zu Industrie 4.0 und Internet of Everything wird sich ohne den neuen Mobilfunkstandard nicht realisieren lassen. Die Zukunft lässt also auf sich warten, während die Gegenwart Je nach Anbieter hat man auf 30 bis 60 % der Flächen keinen Zugang zum schnellen Funkstandard LTE. Endkund*innen in den Niederlanden surfen mobil fast doppelt so schnell wie in Deutschland. Und der Trend zeigt in Deutschland nach unten. In den letzten Jahren hat sich die Surfgeschwindigkeit noch abgesenkt. Ein Zeichen, dass der Ausbau der Sendeanlagen nicht parallel zum stark wachsenden Datenvolumen stattfindet.

Was ist das Problem bei der 5G-Versteigerung?

Für das Frühjahr 2019 plant die Bundesnetzagentur die Versteigerung geeigneter Frequenzen in den Bereichen von 2 GHz und 3,4 bis 3,7 GHz. Ende November soll der Beirat der Bundesnetzagentur hierfür die Vergabebedingungen beschließen. Dabei sollen die Fehler vergangener Frequenzversteigerungen wiederholt werden:
Es soll ein möglichst hoher Geldbetrag bei der Versteigerung für den Bundeshaushalt erlöst werden, der den Netzbetreibern beim Ausbau der Infrastruktur fehlt.

Die Ausbauvorgaben sind wie bisher nicht verbindlich.

Zudem beziehen sich die Ausbauvorgaben wieder auf Haushalte und nicht auf die Fläche. 98 % der Haushalte dürften nicht viel mehr als eine 70 % Abdeckung der Fläche in Deutschland umfassen. Damit wird erneut der ländliche Raum abgehängt.

Die Netzbetreiber werden zudem bei der Nachverdichtung mit LTE Masten und dem neuen 5G Netz weiterhin drei oder vier parallele Netze errichten.
Die Landesregierung könnte das noch verhindern. Denn sie ist durch Wirtschaftsministerium und Staatskanzlei im Beirat der Bundesnetzagentur vertreten und entscheidet mit über die Vergabebedingungen. Doch sie bietet sogar noch weniger als das Nichts der Bundesregierung. Denn der im Juni 2018 geschlossene „Mobilfunkpakt“ zwischen dem Landeswirtschaftsministerium und den drei großen Mobilfunkunternehmen will möglichst wenig Auflagen für die Mobilfunkunternehmen bei der Versteigerung erreichen, fordert dafür aber keinerlei Entgegenkommen der Unternehmen ein. Alles kann, Nichts muss – keine gute Leitlinie für Politik!

Zukunft könnte man machen

Wir brauchen aber nicht nur die kurzfristige Nothilfe bei 5G durch einen Stopp der geplanten Auktion und einer grundsätzlichen Neuausrichtung. Wir brauchen viel grundsätzlichere Änderungen und Reformen. So wäre es beispielsweise deutlich günstiger, wenn statt der Errichtung von mehreren parallelen Netzen ein gemeinsames Netz der verschiedenen Anbieter aufgebaut würde. Statt Ausbaukosten in Höhe von geschätzten 200 Mrd. Euro wäre in einer solchen Ausbauvariante – für die etwa der Netzausbau in Schweden, Kanada und Australien vorbildlich wäre – mit Kosten von etwa 50-80 Mrd. Euro zu rechnen. Die deutlich geringeren Kosten würden sich einerseits durch eine höhere Ausbaudynamik, andererseits durch niedrigere Preise für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher niederschlagen. Dieses Potenzial wollen wir heben.

Matthi Bolte-Richter

Grüner Landtagsabgeordneter für Bielefeld. Sprecher für
Wissenschaft, Innovation, Digitalisierung & Datenschutz.

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