Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rat der Stadt Warburg
Rede zur Verabschiedung des städtischen Haushaltes 2023
Am 02.02.2022
Sehr geehrter Her Bürgermeister Scherf,
sehr geehrte Damen und Herren des Rates,
sehr geehrte Bürger und Bürgerinnen,
als „Hilfsausschussvorsitzende“ habe ich heute die Ehre die Haushaltsrede für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu halten. Zur Erklärung: Wird der einst so wichtige Bezirksausschuss der Mehrheitsfraktion von einer Grünen geleitet, wird er prombt zum Hilfsausschuss erklärt.
Diese Rede ist ein Konglomerat der ganzen Fraktion, jede und jeder hat dazu beigetragen.
Lassen Sie mich zunächst einige Worte zu meinem Empfinden der Umgangsweise seitens des Bürgermeisters sagen:
Ich bin ein Kind des Ruhrgebietes und hatte einmal die Chance auch unter Tage zu fahren. Das Wichtigste, was wir dabei erfahren haben, ist ein bedingungsloses Vertrauen untereinander, auch wenn es in der Sache verschiedene Meinungen gibt. Wenn wir nun unsere gemeinsame Legislaturperiode mit einer Grubenfahrt gleichsetzen, dann sollte ein gegenseitiges Vertrauen auf die demokratischen Strukturen, auch bei unterschiedlicher Meinung, die Grundvoraussetzung unserer Arbeit hier sein.
Dieses Vertrauen geht uns angesichts bewusster Zurückhaltung von Informationen, offensichtlich versuchter Ausbremsung von Ausschüssen, etc. immer mehr abhanden.
Nun zu den Haushaltsberatungen:
Wir bedanken uns ausdrücklich bei Armin Sander und den MitarbeiterInnen der Verwaltung für die akribische Aufstellung des Haushaltsentwurfes.
Gründliche Haushaltsberatungen liegen hinter uns. Auch unter dem Blickwinkel, dass sich von einem Jahr auf das andere viele Voraussetzungen erheblich verändert haben. Im Jahr 2022 mussten wir uns noch mit den Folgen der Corona-Pandemie beschäftigen, und in diesem Jahr beschäftigt uns noch zusätzlich der Angriffs-Krieg Russlands in der Ukraine mit den daraus entstehenden Folgen. Das ist beispielsweise die Energiekrise, die uns alle betrifft, doch auch ganz erheblich unsere Eigenbetriebe, die Stadtwerke und die KUW. Ebenfalls bringt die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine einen erheblichen Aufwand für die Stadt Warburg und die Zivilbevölkerung mit sich.
Die drohende Haushaltssicherung, die immer wie ein Damoklesschwert über uns hing, hat auch unsere gesamte Fraktion während der Beratungen sehr beschäftigt. Trotzdem bleibt die Haushaltslage schwierig und angespannt. Denn ohne die außerordentlichen Erträge, die die Kommunen für die Isolation der Mehraufwendungen infolge der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine ansetzen können, hätte der Haushalt einen Verlust ausgewiesen. Dabei dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass die Isolation der Mehraufwendungen nur ein bilanzieller Sonderposten ist, der früher oder später ergebniswirksam abgeschrieben werden muss.
Auch müssen wir über zeitliche Streckungen unserer wichtigsten Investitionsvorhaben nachdenken, und dabei die Auswirkungen auf die Baukosten, auf die Abschreibungen und Zinslasten der anstehenden Vorhaben, sowie die mittelfristige Finanzplanung im Auge haben. Ziel sollte immer sein, die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Stadt zu erhalten und eine weiter drohende Haushaltssicherung auch in Zukunft abzuwenden.
Hier möchten wir noch anführen, dass wir den Antrag der CDU-Fraktion für die Änderungsliste des Straßenbudgets nicht für ergebnisorientiert halten. Uns erscheint es sinnvoller, die Straßen der Stadt auf ihren Zustand zu überprüfen -der Straßenzustandsbericht wurde ja bereits erstellt- und dann gezielt instand zu setzen. Dabei sollten immer die gesamte Stadt mit den Ortschaften gemeinsam betrachtet werden.
Im vorgelegten Haushaltsentwurf sind deutliche Kostensteigerungen bei den Personalaufwendungen zu erkennen. 2023 sind in dieser Rubrik 9,8 Mio. (9.830.650) Euro für die Beamten und tariflich Angestellten eingebucht, in 2022 waren es noch ca. 9,3 Mio. (9.325.980), hinzu kommen Versorgungsaufwendungen in Höhe von 1,7 Mio. (1.764.950) €.
Daher werden wir mit Argusaugen darauf schauen, wie der Bürgermeister das von ihm so sehr gewünschte Bürgermeisterbüro personell ausstattet.
Immer wieder ist zu hören, dass es problematisch ist, geeignete Fachkräfte für die ausgeschriebenen Stellen zu finden. Umso wichtiger ist es daher, die Digitalisierung weiter voran zu treiben, hier sehen wir andere Kommunen weit enteilt. Hier sieht auch die Verwaltung selbst Ausbaumöglichkeiten.
Auch wünschen wir uns, dass das Potenzial der interkommunalen Zusammenarbeit gehoben wird. Insbesondere bei der Entwicklung von Konzentrationszonen für Windkraft kann man die Expertise von Fachleuten in benachbarten Verwaltungen gemeinsam nutzen.
Im Blick haben wir auch die Stadtwerke: Hatten die Stadtwerke 2022 noch 99,5 Stellen ausgewiesen, so sieht der Plan für 2023 immerhin 104,5 Stellen vor. Zieht man die etwa 3,5 Stellen ab, die wieder zurück zur Stadt Warburg gebucht werden, kommt man auf ein stattliches Stellenplus von 8,5 für das laufende Jahr 2023, die erst einmal besetzt werden wollen. Begründet wird dies mit neuen Geschäftsfeldern, die man für die Stadtwerke perspektivisch aufbauen will. Hier sehen wir durchaus Risiken, denn auch die BeSte wollte hoch hinaus und ist unsanft gelandet.
Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit im Haushalt der Hansestadt Warburg aus?
Ja, wir haben zwei neue Photovoltaik-Anlagen für die Falk-Schule und auf der Verwaltungsnebenstelle in Scherfede. Wunderbar ist, dass dafür 100%ige Fördermittel eruiert werden konnten – dafür ein großes Danke an die Mitarbeiter Innen der Verwaltung. Dies begrüßen wir ausdrücklich, drängen wir doch nicht erst seit Beginn dieser Legislaturperiode auf die Installation dieser Anlagen auf allen städtischen Gebäuden. Sie könnten schon längst Strom produzieren und damit die Energiekosten der Stadt verringern und die Einnahmen vergrößern. Andere Kommunen in der Nachbarschaft haben schon vor 15(!) Jahren ihre kommunalen Gebäude mit PV Anlagen bestückt
Ja, es stehen 37. TD € im Haushalt für die Entwicklung des Bahnhofsumfeldkonzepts – aber kein Euro für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen – beschlossen wurde diese im Ausschuss und im Rat im März 2021 – also vor knapp 2 Jahren!!! Mal sehen, ob wir im nächsten Jahr den Spaten ansetzen können? Vielleicht schon im März 24???….
Ja, wir haben ein umfangreiches Fahrradwegekonzept für die nächsten 10 Jahre geplant – aber ein Umdenken in den Köpfen um nachhaltiger mobil zu sein – zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV sind weder in der Verwaltungsspitze noch im Haushalt zu sehen. Für Konzepte für Fußgänger, Radfahrer und dem ISEK Innenstadt haben wir schon viel Geld investiert – Umsetzungs-Beschlüsse in dieser Richtung werden jedoch mit dem Vermerk der Freiwilligkeit belächelnd ausdrücklich abgelehnt!!!
Was wir brauchen, ist endlich eine Autoreduzierte Innenstadt und ein halbstündlich fahrender Kernstadt-Bus, wie im ISEK gewünscht, um unsere Stadt mit mehr Lebendigkeit zu füllen.
Auch brauchen wir keinen zusätzlichen spritfressenden Wohnmobiltourismus, der dem Campingplatz und unseren Hoteliers das Wasser abgräbt.
Abgelehnt, ja sogar verhöhnt, werden auch unsere gebetsmühlenmäßig gestellten Anträge zur nachhaltigen, ökologischen Gestaltung der Grünflächen und nicht überbaubaren Grundstücksflächen in den zahlreich ausgewiesenen neuen Baugebieten.
Eine zukunftsorientierte, nachhaltige Politik, die dem massiv voranschreitendem Klimawandel entgegenwirkt, wäre beispielsweise
die Förderung privater Energiesparmaßnahmen,
die Ausstattung der Mitarbeitenden mit Jobrad und Jobticket,
die Aufstellung von Bebauungsplänen mit energieeffizienter Bauweise und ökologisch gestalteter Freiflächen,
der Regenwasserversickerung,
und gleichzeitiger Beratung von Bauwilligen in dieser Hinsicht
und so weiter, die Liste lässt sich noch lange fortführen.
Stattdessen sehen wir Zögern und Zaudern – und das Setzen auf Freiwilligkeit.
Es wird „Augen zu und durch“ wie bisher weitergemacht, als gäbe es die Bedrohung für uns alle durch den bestehenden Klimawandel nicht.
Gerne werden wir, die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen weiterhin unsere Vorschläge für eine zukunftsorientierte, nachhaltige und ökologische Politik machen und laden herzlich alle Ratsmitglieder dazu ein, gemeinsam mit uns der Klima-, Energie- und Biodiversitätskrise entgegenzuwirken.
Wir stehen für eine echte Willkommenskultur und Perspektive für Geflüchtete
Weltweit sind momentan über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Not und politischer Verfolgung, vor Kriegen und Terror, vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung, vor Hunger und Krankheiten und immer mehr auch vor den Auswirkungen der Klimakrise. Der Einsatz für die Rechte von Flüchtlingen ist und bleibt für uns ein grünes Herzensthema.
Wir wollen, dass Flüchtlinge hier bei uns gut und sicher leben können, dass sie sich willkommen fühlen können und eine Perspektive für ihr weiteres Leben entwickeln können. Wir wollen die vielen gemeinnützigen und ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit unterstützen, denn sie bauen Brücken in unsere einheimische Bevölkerung. Ohne das großartige Engagement der vielen in der Flüchtlingshilfe Engagierten ist die große Anerkennungs- und Willkommenskultur hier in Warburg nicht denkbar. Dafür unsere Anerkennung und unser Dank.
Wenn wir nun aber in diesem Haushaltsplan eine hohe Investitionssumme bereitstellen, die den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft in der Abgeschiedenheit und Isoliertheit des Horrenberges ermöglicht, dann ist und bleibt diese Planung für uns nicht nachvollziehbar. Sie stellt sich den Bemühungen und dem Wunsch nach Integration entgegen und erschwert völlig unnötig den ohnehin nicht einfachen Weg der gelungenen Teilhabe in einem neuen Lebensort.
Wir bedauern, dass unsere Alternativ-Vorschläge für eine mögliche Übergangslösung und einen stadtnahen Standort für eine neue Gemeinschaftsunterkunft noch nicht einmal geprüft worden sind.
Aus unserer Sicht ein völlig falsches Signal, um gute Bildungsperspektiven für die Kinder aus den Flüchtlings-Familien zu schaffen, um eine gute sprachliche Integration zügig zu ermöglichen, um den Eintritt in unseren ansässigen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt möglichst einfach zu gestalten.
Fazit:
All diese, aus unserer Sicht völlig kontraproduktiven Strategien machen es uns unmöglich, diesem Haushaltsansatz zuzustimmen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und um auf meine Einleitung zurückzukommen:
Glück auf für das vor uns liegende Jahr
Für die Fraktion B90/Grüne im Rat der Hansestadt Warburg
Doris Hauck
Maria Theresia Herbold
Hermann Ludwig
Josef Schrader
Hilla Zavelberg-Simon
Es gilt das gesprochene Wort
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