Die Menschen müssen aus der Geschichte lernen

Gedanken von Christian Holtgreve zum Volkstrauertag


Die Geschichte der Menschheit ist eine lange Geschichte
von immer neuen Kriegen und Gewalttaten, unterbrochen
von kurzen Phasen eines brüchigen Friedens. Immer neue
Waffen wurden entwickelt bis hin zu den gewaltigen Tö-
tungsmaschinen wie die Atom- und Neutronenbombe und
jetzt noch die KI-Gesteuerten Waffensysteme.
Die gegenseitige Abschreckung durch solche Waffen und
die mögliche Auslöschung des menschlichen Lebens, hat
möglicherweise dazu geführt, dass wir bis heute von der
ganz großen Katastrophe verschont wurden. Aber allein
die Kosten der gesamten Aufrüstung entziehen der Welt-
gemeinschaft die Mittel, die sie dringend brauchen, um nur
den Hunger in der Welt und die Folgen der Klimakrise zu
bekämpfen. Die Gefahr eines neuen, noch viel verheeren-
deren Weltkrieges bleibt jedenfalls real und hängt wie ein
Damokles-Schwert über der Menschheit.

Und wäre das nicht schlimm genug, kommt aktuell noch die Gefahr einer
weltumspannenden Klimakatastrophe hinzu, deren Vorbo-
ten in Gestalt von Hitzeperioden, Dürren, Überflutungen
und Waldbränden schon jetzt ein Ausmaß angenommen
haben, das aber noch für viele Menschen wie ein Vorspiel
erscheinen mag, dass man nicht als zu gefährlich ansieht
und man deshalb auch nicht so ernst nehmen sollte.
Deshalb machen wir ja auch im wesentlichen so weiter wie
bisher: noch mehr Straßen, weitere Förderung von Gas und
Erdöl, Ausbau der Atomenergie und im Ganzen die stän-
dige Forderung nach Wirtschaftswachstum. Zwar gibt es
einige Erfolge, was den Ausbau der regenerativen Energien
angeht, aber ob eine durchschlagende Energiewende noch
rechtzeitig gelingt, ist völlig offen und eher unwahrschein-
lich. Der Energiehunger der Welt ist so ungeheuer gewal-
tig, dass eher die letzten Regenwälder abgeholzt werden
als einen Einbruch in unsere Konsum- und Lebensge-
wohnheiten zu riskieren. Wenn dann noch der Druck auf
die entwickelten Länder durch Millionen von Flüchtlingen
hinzukommt, dann erzeugt das alles eine extrem explosive
Situation, die dazu führt, dass wir unsere entwickelten
Länder als Festungen gegen den unaufhörlichen Flücht-
lingsstrom ausbauen, um vermeintlich weiter so leben zu
können wie bisher.
Die wachsende Zahl von Menschen, die sich auf diesem
Planeten die begrenzten Ressourcen teilen müssen, hat
schon länger ein Maß erreicht, dass immer mehr Menschen
ausgegrenzt werden, mit Hunger und in Elend leben und
keinerlei Aussicht haben, dass sich etwas an ihrer Situati-
on ändert.
Wenn man diese Gesamt-Gemengelage näher betrachtet,
dann ist es auch kein Wunder, wenn die gesellschaftlich-
politischen Folgen all dieser Krisenerscheinungen so aus-
sehen, dass immer mehr Menschen sich ins Private flüch-
ten, ihr vertrautes Umfeld beibehalten wollen, sich hin-
ter die nationalen Grenzen zurückziehen, alles Fremde ab-
wehren und sogar auf faschistische „Werte“ zurückgreifen,
die so viel Leid verursacht haben. Als könne man nichts
aus der Geschichte lernen, greift man auf menschenver-
achtende „Rezepte“ zurück, die Millionen von Toten her-
vorgebracht haben und die ganze Welt in Flammen setzten.
Wenn aktuell Menschen in Deutschland eine Partei wie die
AfD bewusst wählen, obwohl sie als rechtsextrem gilt und
manche ihrer Repräsentanten offen faschistisches Gedan-
kengut verbreiten, dann müssen sie sich fragen lassen, ob
sie aus der insbesondere deutschen Geschichte nichts ge-
lernt haben. Wenn sie trotzdem weiterhin ihre Stimme der
AfD geben, so bleibt der demokratischen Mehrheit des
deutschen Volkes nichts anderes übrig als alle demokra-
tisch legitimen Mittel bis hin zu einem Verbot einzusetzen,
um diese Partei so einzuschränken, dass sie keinen blei-
benden Schaden anrichten kann.


Sicher sind nicht alle ihre WählerInnen so verbohrt, dass
sie nicht zu einem demokratischen Verhalten zurückgeführt
werden könnten. Dazu bedarf es jeder Mühe. Aber wer
offensichtlich alles daransetzt, um die Geschichte zurück-
zudrehen in undemokratische Zustände, der muss mit aller
Schärfe und Härte daran gehindert werden.
Die riesigen Demonstrationen für eine offene und tolerante
Gesellschaft, die in der letzten Zeit in zahlreichen Städten
unseres Landes stattfanden , haben deutlich gemacht, dass
es noch lange nicht so weit ist, dass eine Mehrheit der Be-
völkerung nach rechts tendiert und sich einen völkischen
Staat zurückwünscht oder sogar das offen fordert.
Tiefsitzende rassistische, fremdenfeindliche und antisemi-
tische Vorurteile werden von einer durchaus nicht zu unter-
schätzenden Minderheit geteilt und deren Vertreter sind
auch bereit, für ihre Überzeugungen Gewalt einzusetzen.
Aber noch sind es Randerscheinungen, wenn auch in man-
chen Gemeinwesen in Ostdeutschland die Gefahr wächst,
dass dort demokratiefeindliche Menschen ein Übergewicht
bekommen.

Trotz aller sozialen Verwerfungen wie die äußerst unge-
rechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die
Kluft zwischen arm und reich, die skandalöse Kinderar-
mut, die hohe Zahl der zu gering bezahlten arbeitenden
Menschen, die Wohnungsnot und der Bildungsnotstand,
die vernachlässigte Infrastruktur und weitere Missstände,
ist unsere demokratische Gesellschaft noch in einem relativ
stabilen Zustand, der aber durchaus nicht auf Dauer ge-
sichert ist. Wenn neben der Klimakrise noch eine wirt-
schaftliche Krise mit einer hohen Zahl von Arbeitslosen
hinzukommt, dann dürfte eine explosive Stimmung ent-
stehen, die nicht länger zu kontrollieren ist und all die Rat-
tenfänger auf den Plan ruft, die schon einmal unser ganzes
Land verwüstet haben. Ein kurzer Rückblick auf die Bilder
der Zerstörung und der vielen Toten zeigt doch eigentlich,
was uns erwartet, wenn extreme Gruppierungen die Ober-
hand gewinnen sollten, wie sie jetzt schon karikaturhaft in
Gestalt von „Reichsbürgern“, der identitären Bewegung
und gewaltbereiten faschistischen Grüppchen in Erschei-
nung treten. Die Morde der Gruppe „Nationalsozialis-
tischer Untergrund“ und der Mord an dem Kasseler Regie-
rungspräsidenten Walter Lübcke sind deutliche Hinweise
auf die Gefahren, die von solchen Mordgesellen ausgehen.
„Wehret den Anfängen“ ist ein geflügelter Ausspruch, der
immer dann seine Berechtigung hat, wenn es Menschen
gibt, die offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt
haben und erneut mit denselben Methoden ihre Ziele er-
reichen wollen, um ein totalitäres Regime zu errichten,
das die Freiheit jedes Einzelnen, die Rechtsstaatlichkeit
und die demokratischen Werte über Bord wirft.

Deshalb müssen alle demokratisch gesinnten Menschen
höchste Aufmerksamkeit auf alle Bestrebungen richten, die
mit völkischen und rassistischen Parolen auf Stimmenfang
gehen und die sogar schreckliche Diktatoren als Vorbilder
verharmlosen.
Es ist leider zu erwarten, dass es immer einen gewissen
„Bodensatz“ von „Ewiggestrigen“ geben wird, die nichts
aus der Geschichte lernen wollen, aber solchen Menschen
die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf das politische und
gesellschaftliche Leben zu nehmen, das muss mit allen
rechtsstaatlichen Mitteln verhindert werden.
Christian Holtgreve, Warburg November 2024

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