Haushaltsrede anlässlich der Debatte im Rat der Stadt Warburg

Rede zum Beschluss der Haushaltssatzung 2017

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat der Stadt Warburg,

Vor gut einem Monat wurde uns von Bürgermeister und Kämmerer der Haushaltsentwurf für das Jahr 2017 präsentiert. Ein Haushalt, der wie vielerorts in den Kommunen landauf landab die Gesamtsituation und die Herausforderungen einer kommunalen Lebensgemeinschaft wiederspiegelt, mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten. Auch die lange zurückzuverfolgende und sichtbare historische Vergangenheit unserer Stadt kann nicht verleugnen, dass auch wir hier als kleine ostwestfälische Kommune mittendrin im Großen Ganzen der derzeitigen globalen Herausforderungen mitwirken- auch wir hier vor Ort tragen mit Verantwortung für zukunftsweisende Antworten auf die Fragen nach einer ökologischen, einer gerechteren und freien gesellschaftlichen Zukunft, in ganz bewusster Verantwortung für die uns nachfolgenden Generationen.

Herausforderungen

Umwelt -Klima – und Naturschutz sind mehr denn je die zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Als erste Generation bekommen wir den Klimawandel in aller Deutlichkeit zu spüren- als letzte Generation stehen wir am Scheitelpunkt, etwas dagegen zu tun- dies gehört für uns Grüne zu einem der vordringlichsten Themen in unserer politische Verantwortung, in der wir hier auch in Warburg stehen. Es geht um nicht Mehr und nicht Weniger als „Erhalten was uns erhält“: Grundwasser ohne Gülle und Pestizide, ökologisch nachhaltiges Arbeiten und Wirtschaften, Flüsse und Meere ohne Plastikmüll, saubere Luft ohne Feinstaub und die deutliche Verminderung von CO 2 Emissionen, Vermeidung von unnützem Flächenverbrauch, ein deutlich reduzierter und effizienter Energieverbrauch.
Sie, Herr Bürgermeister, sprechen in ihrer Haushaltsrede von den finanziellen Altlasten, die wir unseren Kindern hinterlassen- die sind sicherlich zu vermeiden, da schließen wir uns Ihnen an, ABER !!!!: mindestens gleichen Stellenwert muss die Vermeidung von ökologischen Altlasten haben. Dafür gibt es keinen Kredit, da hilft kein wirtschaftlicher Aufschwung und es gibt auch keine 2. Chance, mit der Fehler zu revidieren wären. Der Klimawandel ist DIE GESELLSCHAFTLICHE HERAUSFORDERUNG für die nachkommenden Generationen- auch für unsere kommunale Gemeinschaft!

Es ist ein Haushalt in Zeiten von Krisen. Die politischen Fliehkräfte in der Gesellschaft sind größer geworden: die großen Fluchtbewegungen, in Folge von religiösen und ideologischen Kämpfen, dramatischen klimatischen Veränderungen, und als Folge wirtschaftlicher Ausbeutung- die EU-Krise, -die Kontroversen zwischen einer offenen Gesellschaft gegen neuerblühendem Rassismus, eine von uns allen hochgeschätzte liberale Demokratie gegen autoritäre Volksverhetzer . Es gibt die Willkommenskultur gegenüber denen, die vor Krieg und Terror zu uns fliehen und es gibt leider auch das genaue Gegenteil davon. Es gibt die, die Geflüchtete als Bürger und Bürgerinnen, als dringend benötigte zukünftige Fachkräfte erkennen, dagegen stehen wir Parteien gegenüber, die sich am rechten Rand etablieren und Opfer zu Tätern machen.

Was heißt all das für die politische, die soziale, die ökologische Kultur in unserer Stadtgesellschaft hier vor Ort? Wie können wir auch hier in Warburg eine offene Gesellschaft verteidigen und uns mit deren Bedrohung, deren Feinden auseinander setzen? Wie gelingt es uns, Gutes nachhaltiges und sozial gerechtes Leben mit Beruf, Familie und Freundschaft und in globaler Verantwortung zu verbinden- denn dafür die Weichen zu stellen, dafür sind wir hier alle gewählt !

Haushaltsentwurf

Mit dieser Brille, aus dieser Perspektive heraus haben wir den uns vorliegenden Haushaltsentwurf betrachtet und bewertet. Und wir sind zu den nun folgenden konkreten Kritikpunkten und aus unserer Sicht notwendigen strategischen Neuausrichtungen gekommen:

Das Zahlenwerk Haushalt: „Wir kommen gemeinsam in Schwierigkeiten, wenn wir dauerhaft mehr ausgeben als wir einnehmen“ – Zitat aus ihrer Haushaltsrede Herr Bürgermeister, und eindeutig und klar zu verstehen! Dies zeigt auch eindrucksvoll die negative Liquiditätskurve. Genauso eindeutig und klar sind die Konsequenzen:

  • Einsparungen, sparsames Haushalten sind die Maßgaben der Stunde!

Am Pflichthaushalt, mit all seinen bindenden Ausgaben, können wir nicht rütteln. Es bleibt uns nur, über die Investitionen politisch zu ringen, die uns noch einen Gestaltungsspielraum lassen.

Wir begrüßen den Breitbandausbau für unsere Dörfer und für den wirtschaftlichen Bereich der hier ansässigen Firmen. Dies bewerten wir als eine sehr gute Maßnahme, die Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit hier vor Ort deutlich steigern.

Gemeinsam mit dem Kreis Höxter, den Städten Marienmünster, Nieheim und Warburg sind Fördermittel für die Erstellung eines integrierten Klimaschutzkonzepts gemäß der „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen im Rahmen der Klimaschutzinitiative“ beantragt worden. Der Zuwendungszeitraum gilt vom 01.08.2016 bis zum 31.07.2017. Neben einer Analyse der Energieverbräuche und CO2-Emissionen soll das Konzept konkrete Vorschläge für zukünftige Klimaschutzmaßnahmen des Kreises sowie der beteiligten Städte beinhalte.

…so zu lesen auf der Webs-Seite des Kreises Höxter.

Das klingt zunächst einmal sehr interessant und zukunftsweisend, aber: hier müssen Taten folgen! Was uns fehlt, ist ein zukunfts-gerichtetes Klimaschutzkonzept für diese Stadt! Wie wollen wir effektiv an einem nachhaltigen ökologischen Umbau mitarbeiten? Wie begeistern wir Bürgerinnen und Bürger für Klimaschutz? Sicherlich wenig bis gar nicht über eine Zentralstelle im Kreishaus in Höxter, und auch nicht über ausführliche Ergebnispapiere aus den Klimaschutzkonferenzen, die in den beteiligten Städten stattgefunden haben. Nach wie vor erfolgt die Wärmeregelung in den Klassenräumen unserer Schulen nicht über anpassungsfähige und flexible Regler-Systeme in modernen Heizungsanlagen, sondern über „Fenster auf-Fenster zu“. Von Sauna bis Kühlschrank findet sich Alles in den Temperatur-Beschreibungen der Schülerinnen und Schüler. Es gibt Heizungsanlagen, die kurz vor der Aufnahme in die Denkmalschutzliste stehen – um es irgendwie noch mit Humor zu erfassen. Denn es ist schlichtweg peinlich und eine völlig unverantwortliche Verschleuderung von Energieressourcen! An einer Stelle, wo man die nachfolgende Generation sprichwörtlich bildlich vor Augen hat und eine dringend gebotene Vorbildfunktion zum Aberwitz wird. Dieses Beispiel macht deutlich, dass ein energetisches Gebäudemanagement dringend gebraucht wird- und wenn wir das selber nicht können, dann ist es an höchster Zeit, Experten von Außen einzukaufen, die hierbei anleiten und Konzepte entwickeln und einführen. Für uns ist diese Maßnahme mindestens gleichwertig –und um ehrlich zu sein auch höher einzustufen-mit einer Wirtschaftsförderung, die wir uns mit 160.00 Tsd. Euro leisten. Eine energetische Sanierung alle öffentlichen Gebäude muss Vorrang vor dem Neubauen haben. Die Umstellung auf LED-Leuchten-Systeme im Stadtgebiet und in den Gebäuden muss zügiger umgesetzt werden.

Einsparpotenzial

Potential für Ressourcenschonung- als auch Personaleinsparungen – sehen wir in der Umstellung der Verwaltungs/Rats-Post auf IT-gestützte Systeme, wie Tablets oder Online-Systeme. Sie, Herr Bürgermeister, sprechen es selber an: Angesichts der defizitären finanziellen Gesamtprognose sind wir gut beraten, hier ohne Denkverbote alle Rationalisierungsvorschläge zu diskutieren.“ Zitat. Die Papier- und Post-Flut, die alleine durch den Papierversand der Vorlagen entsteht, soll so eingedämmt werden. Hierüber sollten wir alle hier im Rat zügig in Diskussion treten und eine gute Lösung finden.

Anbindung Oberer Hilgenstock

Schaut man rückblickend in den Haushaltsplan 2016 und dessen Verbräuche, und Ähnliches gilt auch für den diesjährigen Entwurf, dann stellt man fest: Wir bauen so unglaublich gerne! Dafür sind im vergangenen Jahr Mittel eingestellt worden, die in ihrer Gesamtmenge gar nicht umzusetzen waren. Mittel, die dann an anderer Stelle fehlen, Investitionen, deren Sinnhaftigkeit wir hinterfragen- und es ist klar: Wir kommen jetzt zur Anbindung Warburg – Nord an die Ostwestfalenstraße! Hier sprechen Sie, Herr Bürgermeister, von einem exorbitant wichtigen Zukunftsprojekt. Wir nennen es: einen exorbitant hohen Flächenverbrauch, eine, angesichts der defizitären Gesamtprognose, exorbitant hohe Investition, und eine, in Relation von tatsächlichem Bedarf und realer Notwendigkeit, exorbitante Steuergelder-Verschleuderung, sollten denn die 80% Förderung auch tatsächlich kommen- denn im Haushaltsentwurf kennzeichnet der Kämmerer die Fördersumme immer noch mit der Formulierung „unter Umständen „.Wir lehnen diese Maßnahme nach wie vor ausdrücklich ab. Alternativen, die mit dem Ausbau der Bahnstrecken-Untertunnelung bestünden, sind aus unserer Sicht nicht ausreichend geprüft und bewertet worden.

Neuer Busbahnhof

Der Busbahnhof ist kurz vor der Fertigstellung. Es erscheint sicherlich merkwürdig, dass die GRÜNE Ratsfraktion sich bisher bei allen betreffenden Abstimmungen dazu immer enthalten hat. Unsere Begründung hierfür war und ist die Gleiche geblieben:

Auch hier fehlt es an einem nachvollziehbaren Konzept zur Nahverkehrsversorgung – für eine nachhaltige Bedienung des Innenstadtverkehrs, Stichwort Nutzung von Elektrofahrzeugen, fehlt eine bürgerfreundliche Taktung der Anbindungen in unsere Kreisstadt, oder in die nahgelegenen Oberzentren. Dies, so haben wir es von Planungsbeginn an gefordert, ist bis heute nicht darstellbar – wird aber dringend benötigt.

Flüchtlingssituation Stadtgebiet

Am Anfang meiner Rede habe ich das Thema Flüchtlinge bereits im globalen Kontext erwähnt, am Ende meiner Rede bringen wir hierzu nochmals den lokalen Bezug. Im Jahr 2014 hat dieser Rat über eine Investition von 1 Million Euro für den Ausbau der Unterkunft „Am Horrenberg“ entschieden. Wir waren die einzige Fraktion, die diese abgelehnt haben und stattdessen eine Investition in eine näher angebundene, innerstädtische/ dörfliche Lösung gefordert haben. Wir glauben immer noch, und sehen uns auch durch einige kritische Vorfälle der letzten Wochen darin bestätigt, dass diese vieles an Konfliktpotential und Integrationshürden verhindert hätte. Es zeigt sich, dass überall dort, wo die Flüchtlinge nahe am gesellschaftlichen Leben einer Kommune teilhaben können, das interkulturelle Konfliktpotential geringer ist und echte Integration, der Erwerb von Sprache, schneller und effektiver gelingt. Nun haben die Entwicklungen der letzten 12 Monate in ihrer Unübersichtlichkeit und in der Notwendigkeit des Vorhaltens von Unterbringungskapazitäten dazu geführt, dass wir nun einen Leerstand von neugeschaffenen Gebäuden haben- dafür kann niemand etwas, dafür war die Lage entsprechend unüberschaubar. Aber: dies gibt uns die Chance, hinsichtlich der Belegungen neue Modelle zu überdenken. Durch die hohen und zu erwartend steigenden Anerkennungsquoten wechseln die Asylbewerber in den Bezug von SGB II und damit in den Leistungskatalog des Jobcenters. Sie dürfen dann auch in privaten Wohnraum wechseln und diesen entsprechend den Leistungsstufen des Jobcenters anmieten. Diesen Wohnraum in diesem Mietpreis-Segment, das ist uns allen bekannt, gibt es zu wenig. Das neu errichtete Gebäude in der Bahnhofstraße steht ungenutzt- hat aber gekostet und wird auch als Leerstand sicherlich Kosten verursachen. Wir haben von Beginn an bei dessen Planung darauf gedrängt, dass hier alle Versorgungsleitungen und Innenausbauten so angelegt werden sollen, dass eine Umnutzung von Groß- Unterkunftsnutzung in kleinere Wohneinheiten ohne große Umstände umsetzbar ist. In Anbetracht der steigenden Anzahl bereits Anerkannter Flüchtlinge in den städtischen Unterkünften und deren Anspruch auf Mietkosten-Übernahme durch das Jobcenter fordern wir, diese Umnutzung nun zu vollziehen und an bleibeberechtigte Menschen zu vermieten. Der Positiv- Effekt ist vielfältig: verbesserte Teilhabe der Geflüchteten am kommunalen Leben, kürzere Wege für Schulkinder/ Kindergartenkinder der Familien, Entzerrung der Konflikte-fördernden, engen Wohnsituation in den Gemeinschaftsunterkünften, Mieteinnahmen für ein städtisches Gebäude, um nur einige zu nennen. Und ein deutliches Signal an die Populisten und Volksverhetzer, gegen Ausgrenzung und Diskriminierung, für eine integrationsbereite offene kommunale Gemeinschaft. Unser Dank gilt an dieser Stelle den zahlreichen hochengagierten Ehrenamtlichen, die immer noch unermüdlich und mit viel Herzblut an gelingender Begegnung zwischen unseren neuen Mitbürgern und der heimischen Bevölkerung aktiv mitarbeiten. Ohne diese tolle Engagement wären und sind auch immer noch viele Herausforderungen nicht zu bewältigen.

Bürgerbeteiligung

Mit Überraschung las ich vor einigen Wochen in einer Presseinfo der CDU Warburg die Aussage von Herrn Kuhaupt, dass in Sachen Bürgerbeteiligung doch noch viel Potential hier in Warburg sei. Ist ja bisher mehr so unser Text gewesen, wir haben einen Mangel an echter, und den Namen auch verdienenden, Bürgerbeteiligung immer wieder deutlich gemacht. Dazu fand ich in einem Grundsatzpapier zum Thema Bürgerkommune eine Beschreibung ,die sich für mich las, wie einen Apell an Bürgermeister, Rat und Verwaltung unserer Stadt:

Politik und Zukunft gemeinsam gestalten heißt: der erforderliche Kulturwandel sollte in einem kollektiven Lernprozess dazu führen, dass die kommunalen Entscheidungsträger von sich aus auf die Bürger zugehen und die Beteiligung der Bürger eher als Bereicherung, denn als Beschneidung ihrer Kompetenzen und Gefährdung eingespielter Routinen empfinden. Kooperative Verhaltensweisen von Politik und Verwaltung, wie z.B. die frühzeitige umfassende Information der Bürger über wichtige kommunale Planungsvorhaben kommen am ehesten zustande, wenn die Akteure von diesen Verhaltensweisen überzeugt sind.

Diesen aktiven Weg von gelebter Bürgerbeteiligung wünsche ich uns Allen, denn durch ein solches lokalpolitisches Handeln stellen die gegenwärtigen populistischen Bewegungen keine Bedrohung mehr für uns dar, dadurch können wir Bürgerinnen und Bürger für ihr Mittun für ein ökologisches, sozial gerechtes und zukunftsgerichtetes Warburg begeistern. Und unserer aller Verantwortung für die globalen Herausforderungen sichtbare Taten folgen lassen!

Entscheidung der Fraktion

Wir werden dem diesjährigen Haushaltsentwurf keine Zustimmung erteilen. Statt der Verwendung der hierin eingestellten ca. 1,2 Millionen Euro für ein für uns völlig überdimensioniertes und überambitioniertes Straßenbauprojekt und den damit hochriskanten finanztechnischen Risiken fordern wir eine finanziell ausreichende Ausgestaltung für die Entwicklung und Umsetzung eines kommunalen Klima-Konzeptes, mit den Bausteinen, wie wir sie hier beschrieben haben. Denn eine solche Zukunftsinvestition bedeutet für uns ein den uns nachfolgenden Generationen verpflichtetes, vordringliches und verantwortliches Handeln, für das sich jederlei Investition lohnt.

Ein herzlicher Dank geht an Klaus Weber, der wieder einmal sehr anschaulich und verständlich für die Beantwortung unserer Fragen und für ausführliche Erläuterungen zur Verfügung stand.

Enden möchte ich mit einem Zitat von Victor Hugo…

Die Zukunft hat viele Namen:
Für die Schwachen ist sie das Unerreichbare,
für die Furchtsamen ist sie das Unbekannte,
für die Tapferen ist sie die Chance.

Hilla Zavelberg-Simon
Es gilt das gesprochene Wort.

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