Eine Nachlese zu: Wer ist Trump und wenn ja, wie viele?
Trump aus der Sicht eines grünen Juristen aus New York
Warburg. Ein gut gefüllter Saal mit interessierten Bürgern aus allen Schichten und politischen Richtungen erwartete einen spannenden Abend, zu dem die Warburger Grünen eingeladen hatten. Thema: Wer ist Trump und wenn ja, wie viele? In Anlehnung an Richard David Prechts Titel informierte der aus der Altstadt stammende Rechtsanwalt Reinhard Humburg am Mittwoch abend in der Gaststätte Ratskeller ein interessiertes Publikum über die Verfahrensweisen demokratischer Wahlen in Amerika und die Ergebnisse vom letzten November. Er erklärte die Zustimmung zu Donald Trump, dem Medienstar und Politclown und seine Einübung in eine ernst zu nehmende Rolle.
Humburg informierte zunächst über das Wahlsystem in den USA, das durch das Mehrheitswahlsystem eindeutig die großen Parteien – Republikaner und Demokraten – bevorzugt. Deshalb haben diese auch keinerlei Interesse an einer Reform des Wahlrechts. Hillary Clinton hat immerhin drei Millionen Stimmen mehr bekommen als Trump, der Sieger. Al Gore hatte seinerzeit ebenfalls mehr Stimmen als Bush – und wurde trotzdem nicht Präsident der Vereinigten Staaten. Solche Ergebnisse seien möglich, weil in fast allen Bundesstaaten die Stimmen nicht proportional auf die Kandidaten verteilt werden, sondern sämtliche Wahlmänner und -frauen des Kandidaten mit den meisten Stimmen als gewählt gelten. Und dies in der ältesten noch funktionierenden Demokratie der Welt – dem eigenen Selbstverständnis nach. Hinzu kommen fragwürdige Wahlcomputer der Firma Diebold. Seine Zählergebnisse können schlecht überprüft und angefochten werden. Das Zweiparteiensystem bleibt, da selbst die Partei der Demokraten nicht bereit ist, auf Machterhalt zu verzichten und kleineren Parteien eine Chance zu geben.
Die Finanzierung der Parteien läuft größtenteils aus privaten Kassen. Wie überhaupt sich die Tätigkeit der Abgeordneten und Senatoren, sind sie erst einmal gewählt, täglich auch um Aquise von Geld dreht. Im offiziellen Büro der Abgeordneten von Senat und Repräsentantenhaus darf kein Fundraising betrieben werden. Der Regierungssitz muss „rein“ gehalten werden. Aber außerhalb gibt es mehrere Großraumbüros, von denen aus reiche Leute angerufen und um Geld gebeten werden. Und natürlich die passenden Restaurants, die üppige Einladungen ermöglichen, mit denen die Abgeordneten sich ihre Geldgeber gewogen machen und ihnen den unmittelbaren Kontakt zu den Politikern ermöglichen. Die Republikaner sind reicher als die Demokraten, da sie industriefreundlicher sind. Jedenfalls dürfen die Geldgeber nicht vergrault werden, weshalb es auch so schwer ist, schärfere Umweltgesetze durchzubringen. Der alternative Kandidat Bernie Sanders hat allerdings vorgemacht, wie man als unabhängiger Bürger durchaus einen Wahlkampf auch finanziell durchstehen kann, wenn man nicht reich ist: Über seine Spendenkampagne erzielte er im Durchschnitt 27 Dollar pro Bürger unter seinen Anhängern und konnte damit über ähnlich hohe Wahlkampfmittel verfügen, wie Trump und Clinton.
Der Nationalstolz , so Humburg, eint die häufig weit verstreut auf dem Land lebende Bevölkerung, die sich aus sehr unterschiedlichen Kulturen zusammensetzt. Dennoch ist die Wahlbeteiligung stets sehr niedrig, weil man sich in sehr vielen Bundesstaaten darauf verlassen kann, dass der favorisierte Kandidat qua Mehrheitsprinzip „es schon schaffen wird“. Zunächst habe aber niemand daran geglaubt, dass Trump, der größenwahnsinnige Geschäftsmann, überhaupt Kandidat werden könnte. Eine Teilnahme an der Wahl war für ihn zunächst eher eine Geschäftsidee. Er wollte noch populärer werden und wollte einen besseren Sendeplatz für seine Show. Während des Wahlkampfes habe er kaum eine Frage überhaupt beantwortet und ein großer Teil seiner Behauptungen hielt sachlicher Nachprüfung nicht stand. Er habe aber Optimismus verbreitet, dass er zahlreiche Wunder wirken könne – mit dem Hinweis auf seine erfolgreichen Steuerbetrügereien, mit denen er auch durchkomme. Die Demokraten erkannten leider die Zeichen der Zeit nicht, die auf „Außenseiterwahl“ standen. So war ihnen Bernie Sanders, der Senator aus Vermont, nicht berechenbar genug. Humburg schätzt, dass nach den Umfragen Sanders hätte Trump schlagen können und die Wahl vermutlich gewonnen hätte. Er wurde jedoch nicht nominiert. Als Folge dieser Fehleinschätzung ist inzwischen die Führungsriege der Demokraten inzwischen fast ganz ausgetauscht worden. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass Sanders für eine erneute Kandidatur bei der nächsten Wahl aus Altersgründen wohl nicht mehr in Frage kommt, und eine neue Figur ist bislang nicht in Sicht. Dazu kommt, dass es eine starke religiöse Rechte in den USA gibt, Humburg schätzt sie auf 40 % der Wählerschaft. Diese glauben, Amerika werde von “Illegalen“ belagert, die USA seien ein Land von Opfern geworden. Sie glauben, Trump sei der Einzige, der hier Abhilfe schaffen könne. Und sei es mit seinem verrückten Mauerprojekt zur Abschottung von Mexiko, auf das als Absatzmarkt und als Lieferant von preiswerter Arbeitskraft gar nicht verzichtet werden kann. Inzwischen verlassen mehr Mexikaner das Land als neu hereinkommen. Aber Trumps Devise als Kaufmann ist ja: Hauptsache, ich verkaufe mein Produkt – und das ist er selbst. Er verkauft sich mit dem Slogan „America First“ als bester Präsident aller Zeiten. Und dazu eignet sich das Märchen von den „Illegalen“ und der Wundermauer, die durch Einfuhrzölle auf mexikanische Waren finanziert werden soll.
Die Folgen der Trump-Wahl: Trump wird es von der republikanischen Partei ermöglicht, sein Ziel umzusetzen, halbwegs gut durch die Amtszeit zu kommen und seine Geschäftsmöglichkeiten zu erweitern. Er arbeitet zwar nicht sehr effizient, kümmert sich kaum um die Realisierung von Projekten, die er einmal angekündigt hat. Dies kommt den Republikanern jedoch so lange entgegen, als sie ihn noch unter Kontrolle haben. Jetzt können sie eine große Zahl von politischen Vorhaben durchsetzen und Trump dafür verantwortlich machen, ohne selbst an Popularität einzubüßen. Deshalb hätten die Republikaner alle fünf Nachwahlen nach der Amtseinführung von Trump gewonnen, obwohl die Umfragewerte für Trump selbst inzwischen sehr niedrig sind. Die einzelnen Staaten verfolgen zunehmend ihre eigene Politik. Das kostet sie allerdings auch die eigenen Steuermittel.
Der Vizepräsident Mike Pence ist ein rechtskonservativer Mann, der keine wirkliche Alternative zu Trump bieten würde, selbst wenn es zu einem Amtsenthebungsverfahren käme. Er ist Vertreter einer „religiösen Rechten“, was u.a. bedeutet, dass Männer und Frauen an einer althergebrachten Geschlechterhierarchie festzuhalten haben. Ohne Trump, so Humburg, wäre der Opposition vielleicht sogar der Schwung genommen. Die besteht in Amerika derzeit aus zahlreichen teils mächtigen Non-Government-Organisationen und Vereinen mit Millionen von Mitgliedern. Gerade im Gesundheits- und Naturschutzbereich sind diese sehr aktiv, wie man an zahlreichen Newsletters feststellen kann (z.B.: Grist.org). Trump hat ja eher da gewonnen, wo die uninformierten Wähler sitzen. Und mehr noch: Humburg sieht in der derzeitigen Situation die Chance, dass sich Europa von der amerikanischen Dominanz befreit und sich miteinander auf den Weg macht, die großen Aufgaben unserer Zeit wie den Klimaschutz und die Flüchtlingsfrage anzugehen. „Unabhängig werden ist ein wichtiges Ziel, wobei trotz gegenteiliger Beteuerungen im Wahlkampf bezweifelt werden kann, dass Trump keine Kriege mehr führt“, so Humburg. Eine Stimme aus dem Publikum zog Bilanz an diesem informativen Abend, der auch durch kluge Fragen aus dem Publikum getragen wurde: Es mag derzeit eine Marionette namens Trump geben, der später vielleicht zum Sündenbock gemacht wird. Aber wir in Deutschland haben heute eine Chance. Wir können froh sein, in einer lebendigen Demokratie zu leben. Unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft besteht darin, über das Zuschauen, Zuhören und Wählen hinaus uns aktiver in das politische Geschehen auch vor Ort, im kommunalen Alltag, einzubringen. „Demokratie ist anstrengend. Aber in der Umweltgesetzgebung sind wir den USA um zwanzig Jahre voraus“ – so der Referent, der aus zwei Perspektiven auf das politische Geschehen blickt. Der französische Nachbar, der Denker Diderot, wusste schon: Aufklärung besteht darin, falsche Ideen vom Sockel zu stürzen und zu Unrecht gestürzte wieder darauf zu stellen.
Ein Bericht von Dr. Ingeborg Philipper – Ortsverband Warburg BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
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