Bereits im Sommer vergangenen Jahres haben wir einen umfassenden Antrag zur Pflegepolitik in die Parlamentsberatung eingebracht. Die Anhörung hierzu im Frühjahr hat gezeigt, dass die Wünsche der Betroffenen und damit auch die Quartiersorientierung bei den Wohn- und Pflegeangeboten im Vordergrund stehen müssen. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ bei der Unterbringungen muss erhalten bleiben.
In unserem Antrag fordern wir unter anderem
- die Rahmenbedingungen für eine verlässliche und menschenwürdige Pflege im selbstgewählten Wohnumfeld zu verbessern,
- den Ausbau von Wohn- und Pflegeformen im Quartier sowie die Unterstützung einer häuslichen Wohnumgebung voranzubringen,
- Tagespflege, solitäre Kurzzeitpflege, unabhängige Beratung und die Zahl barrierefreier Wohnungen deutlich auszubauen,
- die Modernisierung stationärer Pflegeeinrichtungen zu überschaubaren Wohnanlagen für ein selbstbestimmtes Wohnen voranzutreiben und
- die Öffnung der Heime ins Wohnquartier für Vereine, Nachbarschaft und als Begegnungsort für alle Generationen.
Weiterhin fordern wir eine Landesförderung für Quartiersentwickler*innen in den Kommunen und Kreisen. Die schwarz-gelbe Landesregierung hatte diese Förderung auch gegen Protest aus den Kommunen abgeschafft. Viele Kommunen und Kreise wollen die Pflegeangebote entsprechend der Bedürfnisse ihrer Bevölkerung selbst planen und dies nicht allein großen Trägern und Investoren alleine überlassen.
CDU und FDP haben mit ihrer Mehrheit den Antrag abgelehnt. Sie wollen einen weiteren völlig verfehlten Ausbau großer Heimeinrichtungen ermöglichen. Statt die Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen, die länger in ihrem häuslichen Umfeld leben wollen, fordern CDU und FDP einen Etikettenschwindel: Große Heime nennen sie „Ankereinrichtungen zur Versorgung vor Ort“.
Statt einzelner Ankerzentren wollen wir GRÜNE durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Träger im Stadtteil Quartiersstützpunkte oder Nachbarschaftszentren unterstützen, die eine unabhängige Beratung anbieten und gleichermaßen Anlaufstellen und Treffpunkte für die Nachbarschaft sind. Das schließt sich öffnende, moderne Pflegeheime ausdrücklich mit ein, wenn sie die wohnortnahe Versorgung mit einem ganzheitlichen auf das Quartier ausgerichteten Konzept ergänzen.
Schüler-Lehrer-Relation in Pflegeberufen
Das NRW-Sozialministerium (MAGS) will die Vorgaben zur Umsetzung des Pflegeberufegesetzes (PflBG) in NRW bei der Schüler-Lehrer-Relation deutlich lockern. Das PflBG geht von einer 1-zu-20-Relation aus. Ein Entwurf für eine Durchführungsverordnung (DVO) sieht bei den Mindestanforderungen an Pflegeschulen jedoch bis zum Jahr 2029 nur eine Lehrkraft für 25 Studierende vor. Diese Standardabsenkung kritisieren viele Ausbildungsträger zurecht.
Wir GRÜNE haben einen Bericht vom MAGS zu den Gründen für die Standardabsenkung gefordert. Zudem sollte das Ministerium Auswirkungen für die Qualität der Ausbildung und die Regelungen in den anderen Bundesländern darlegen.
Das MAGS zog sich in seiner Antwort darauf zurück, dass bereits im Jahr 2018 74 hauptamtlich Lehrende fehlten. Diese Situation werde sich aufgrund der höheren Anforderungen des PfIBG noch erheblich verschärfen. Dann könnten nur noch große Ausbildungsstätten die personellen Vorgaben erfüllen.
Wir GRÜNE fordern, dass Schwarz-Gelb die qualitativen Vorgaben des PflBG an die Ausbildung in NRW einhält. Dies erfordert einen deutlichen Ausbau an Ausbildungsstätten für Lehrende. Die 10-jährige Sonderregelung für größere Ausbildungsgruppen halten wir zu lang und unakzeptabel. Eine Überprüfung der Situation nach zwei Jahren und eine verbesserte Ausstattung der Ausbildungsstätten wären notwendig.
Betreutes Wohnen von Menschen mit Behinderung durch die neuen GKV-Richtlinien in Gefahr?
Bislang sind die Leistungen der Pflegeversicherung in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe unabhängig vom tatsächlichen Pflegegrad auf 266 Euro monatlich gedeckelt. Dass dies ungerecht ist, kritisieren wir seit langem. Bei ambulanten Wohnformen – insbesondere bei denen mit einem umfassenden Unterstützungsangebot – gewähren die Kassen bislang höhere Leistungen. Damit soll nach Vorstellung des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) jetzt Schluss sein. Nach dessen Willen sollen die Pflegekassen auch bei Wohngemeinschaften und vergleichbaren Wohnformen nur maximal 266 Euro monatlich für die Pflegekosten zahlen.
Die vom GKV-Spitzenverband vorgeschlagene Neuregelung des § 71 Abs. 4 SGB XI soll zukünftig nicht nur für die bisher als stationär ausgewiesenen Einrichtungen, sondern auch für „Räumlichkeiten gelten, in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderung und die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe im Vordergrund stehen“. Dadurch erhielten viele ambulante Wohngemeinschaften künftig nur noch die niedrige Pflege-Pauschale. Ihnen würden pro Person je nach Pflegegrad monatlich zwischen 423 Euro und 1.729 Euro fehlen.
Viele Wohngemeinschaften ließen sich dann nicht mehr finanzieren. Entweder müssten die Kommunen und Landschaftsverbände wesentlich höhere Kosten in Kauf nehmen oder Menschen, die bislang mit Unterstützung selbständig leben können, müssten in die Heimunterbringung wechseln. Dies verstieße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. Diese verbietet, dass behinderte Menschen gezwungen werden, in einer stationären Einrichtung leben zu müssen (Artikel 19 UN_BRK). Wir haben hierzu einen Bericht von der Landesregierung eingefordert, den Ihr hier abrufen könnt.
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