Wie der Minijob gerechter werden kann

Peter Tauber lästert über Minijobber. Er verkennt: Viele Menschen sind trotz Ausbildung und Arbeit von Armut bedroht. Was sich am Minijob ändern muss, damit er wirklich zu einer Chance wird.

„Vollbeschäftigung ist wichtiger als Gerechtigkeit“ und „Wenn Sie was ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs“ lässt Peter Tauber uns wissen. Meinen Dank für diese aufschlussreiche Auslegung des Wahlprogramms der Union!

Für geringfügig Beschäftigte – also Minijobber – gilt nach vier Jahren großer Koalition weiterhin: Sie werden noch immer wie Beschäftigte 2. Klasse behandelt. Statt sie wirkungsvoller zu schützen, werden sie nun öffentlich geschmäht. Unter anderem wegen vieler Niedriglohn- Jobs in diesem Bereich sind in Deutschland inzwischen rund vier Millionen Menschen trotz Arbeit von Armut bedroht, wie eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Wer von seiner Hände Arbeit aber nicht leben kann, ist nach Auffassung der Union selbst schuld, hat sich offenbar nicht genug angestrengt und ist ungebildet. Das trifft auf die Minijobber nicht zu, sie sind überwiegend gut qualifiziert und arbeiten hart für ihren Lohn.

Die Union will es erleichtern, den Mindestlohn für Minijobber zu umgehen…

Minijobber haben von der Einführung des von der Union lange bekämpften allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns besonders stark profitiert – das ist der Tatsache geschuldet, dass sie für ihre Leistung oft besonders schlecht entlohnt werden. Die Union will den Unternehmen nun eine neue Hintertür öffnen, es den Unternehmen „gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode“ leichter machen, den Mindestlohn zu umgehen. Erklärtes Ziel ist der „Abbau von Bürokratie“. Wenn aber etwa die täglichen Arbeitszeiten nicht mehr aufgezeichnet werden müssen, kann auch nicht mehr wirkungsvoll kontrolliert werden, ob der Mindestlohn überhaupt gezahlt wird. Auch für geringfügig Beschäftigte muss gelten: gleicher Bruttolohn für gleiche und gleichwertige Arbeit am gleichen Ort.

Geringfügig Beschäftigten werden oft grundlegende Arbeitnehmerrechte vorenthalten…

Geringfügig Beschäftigten werden oft grundlegende Arbeitnehmerrechte vorenthalten: sie erhalten keinen bezahlten Urlaub und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, obwohl ihnen beides zusteht. Doch auf die Unterstützung der Union brauchen die Minijobber – die meisten von ihnen sind übrigens Frauen – nicht zu zählen. Das Wort Gleichbehandlung taucht im Wahlprogramm der Union nicht einmal auf. Es wird höchste Zeit, dass auch Minijobber die gleichen Rechte wie andere Arbeitnehmer nicht nur auf dem Papier haben, sondern auch tatsächlich bekommen.

Ein Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit würde gerade geringfügig beschäftigten Frauen helfen…

„Jeder soll von seiner Arbeit leben können.“ Auch das verspricht die Union in ihrem Wahlprogramm. Viele Beschäftigte, besonders häufig Frauen, sind weit davon entfernt. Das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit hätte diesen Frauen sehr geholfen. Auch das ist an der Union gescheitert. Während für manche – häufig auch Studenten oder Rentner –  ein kleiner Job genau das richtige ist, bleiben viele andere gegen ihren Willen im Minijob hängen. Weil etwa im Einzelhandel kaum noch andere Jobs angeboten werden.

Wenn der Mindestlohn steigt, muss die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden sinken, wenn der Job unter der Grenze von 450 € bleiben soll. Die Union verspricht darum einen „mitwachsenden Minijob“. Die Begründung: Geringfügig Beschäftigte sollen an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben, teilhaben an sozialer Sicherung sollen sie nicht. Wie das gehen kann, ohne die Arbeitnehmer zu belasten, darüber hat die Union offensichtlich nicht nachgedacht. Dabei wären sie dann auch umfänglich gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit und für das Alter abgesichert. Aber wie Peter Tauber richtig sagt, der Union ist es im Prinzip egal, wie Vollbeschäftigung erreicht wird.

Der Minijob muss so reformiert werden, dass sich mehr Erwerbsarbeit immer finanziell lohnt…

Natürlich ist Vollbeschäftigung ein richtiges Ziel, die Wirtschaft geht bereits heute in diese Richtung. Doch dabei muss es auch gerecht zugehen. Neben einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplätzen in allen Regionen und fairen Löhnen braucht es deshalb Steuern, Abgaben und soziale Leistungen, die so aufeinander abgestimmt sind, dass sich (mehr) Erwerbsarbeit immer finanziell lohnt, auch über die magische Grenze von 450 € hinaus, auch beim Blick ins Portemonnaie.

Beitrag von Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidatin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Tagesspiegel

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