Nachgemessen: So viel Platz bietet die B252 für einen Ausbau

Mit Lasermessgerät und Fotoapparat ist Grünen-Mitglied Ricardo Blaszczyk an der Bundesstraße unterwegs gewesen. Müssen wirklich 99 Bäume fallen? Sein Ergebnis überrascht.

Hohenwepel/Peckelsheim. Wenn die Ostwestfalenstraße von zehn auf zwölf Meter 2plus1-Querschnitt ausgebaut wird, sollen 99 Bäume fallen. Das plant der Landesbetrieb Straßen NRW. Baustart: 2024. Das ist für Ricardo Blaszczyk nicht sinnvoll. Deshalb sucht er nach Kompromissen: „Die einfachste Lösung muss nicht immer die Richtige sein. Auch nicht die, die man mit viel Geld bezahlen kann“, sagt er und fordert zu Gesprächen und neuen Ideen auf. Denn 6,5 Millionen Euro soll das Bauprojekt kosten. Muss so viel Steuergeld ausgegeben werden? Müssen zwischen Hohenwepel und Gut Alfredshöhe wirklich 99 Bäume fallen? Oder reicht die Fahrbahnbreite mit den angrenzenden Bereichen schon jetzt in vielen Bereichen aus, um die Ziel-Breite zu realisieren? Mit Neumarkierungen oder Leitplanken? Wie breit ist die B252? Wie viel Luft bleibt für eine Verbreiterung der Fahrbahn rechts und links auf die gewünschten zwölf Meter? Er weiß, diese schwierige Diskussion muss Sicherheitsbedürfnisse mit ökonomischen und ökologischen Zielen vereinbaren, sagt Grünen-Mitglied Ricardo Blaszczyk aus Hohenwepel. Er hat sich mit Lasermessgerät, Warnweste und Fotoapparat entlang der B252 aufgemacht, um sich die Details vor Ort anzuschauen und an drei Punkten die Fahrbahnbreite und die Abstände rechts und links zu messen, wie es auf dem 3,4 Kilometer-Abschnitt aussieht.

Start der Messung ist bei Hohenwepel, es geht Richtung Peckelsheim. Gemessen wird von der jeweiligen Mitte der weißen Markierungen und am Rand des asphaltierten Streifens. Messpunkt Nummer eins liegt an der Lindenallee kurz hinter dem letzten Hof in Hohenwepel, die laut Landesbetrieb unangetastet bleiben soll. 3,38 und 3,34 Meter messen die Fahrbahnen der B252 hier. Dazu kommen rechts je ein asphaltierter Randstreifen von 1,74 Meter und links von 1,52 Meter – macht zusammen 9,98 Meter Asphaltband, dem sich rechts noch einmal 1,51 Meter und links 1,61 Meter bis zur jeweiligen Baumreihe anschließen. Macht 13,1 Meter Abstandsbreite von links nach rechts. Ergebnis: Reicht aus.

Weiter geht’s auf der hier schnurgeraden B252 hin ab in die Senke in den Bereich der beiden Abzweigungen rechts nach Großeneder und links nach Engar. Dort fallen nicht nur die größeren Abstände der Bäume zur Fahrbahn auf – sogar mit einer breiten Böschung. Hier fällt Blaszczyk noch etwas anders auf: Das erste von zwei Brückenbauwerken, das umgangen werden muss. Ebenso wie die Abzweigungen mit den Verzögerungsstreifen für Abbieger. Die Straßen bleiben, aber die Wirtschaftswege auf die Bundesstraße sollen abgebunden werden. Das heißt, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge von dort nicht mehr direkt auf die Ostwestfalenstraße auffahren können. Mit einem Flurbereinigungsverfahren sollte das im Bereich Großeneder mit neuer Flächenverteilung und Wegeführung geregelt werden. Zwei geteerte Wirtschaftswege münden derzeit noch auf die große Straße. Wird die künftig zum Hindernis für Trecker und Co? „Geänderte Zufahrten zu den Flächen würden zu mehr Verkehr auf Ausweichstrecken, möglicherweise durch Siedlungsgebiete führen“, sagt Blaszczyk. Und wie lang oder kurz werden eigentlich die künftigen 2plus1-Abschnitte sein, wenn man am Brückenbauwerk und Abzweigungen schon wieder in der 2plus1-Sache räumlich eingeengt wird?

Dann die zweite Messung zwischen den beiden ersten Bäumen, die sich Richtung Peckelsheim gegenüberstehen: 10,38 Meter Asphaltband. Dazu der grüne Bereich rechts und links bis zum nächsten Baum: Es sind jeweils mehr als vier Meter Abstand auf beiden Seiten neben den Asphalt über die grüne Böschung bis zur Baumreihe dort. „Hier müsste kein Baum gefällt werden“, sagt er mit einem Kopfschütteln. „Auf jeder Seite ist genügend Luft.“ Ergebnis: Reicht deutlich aus.

Weiter auf der nun kurvigen Strecke, die beim Bau wegen ihrer Uneinsichtigkeit („gefährlich“) zwei Meter nach Norden, also nach rechts verlegt werden soll. Für den Hohenwepeler eher ein Argument für Tempo 80 statt 2plus1-Ausbau. Hinauf zu Gut Alfredshöhe, auf der rechts und links die Leitplanken dicht an den Bäumen stehen. Auch dafür, berichtet Blaszczyk, geben es Möglichkeiten: Dass nämlich Leitplanken zusätzlich entlang einer Fahrbahn angebracht werden, die an die jeweilige Baumsituation angepasst würden. Sprich: Um den Baum mit Wurzelwerk zu schützen, gebe es verschiedene Abstände der in den Boden eingelassenen Leitplanken-Verankerungen. Angekommen am Messpunkt drei kurz vor der Bushaltestelle Gut Alfredshöhe: Auch hier 10,61 Meter Asphaltband und jeweils mehr als 1,20 Meter nach rechts und links bis zu Bäumen. Ergebnis: Reicht auch hier.

Fazit für Blaszczyk: An vielen Stellen müsste kein Baum fallen, der Platz reicht für die geforderten zwölf Meter Fahrbahnbreite völlig aus. Fällen, das sei die schlechteste Lösung, ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll. Man solle vielmehr in Ruhe noch einmal beraten und Ideen für die Abschnitte entwickeln, sinnvolle Kompromisse suchen, bevor man durch Fällen unwiederbringlich Fakten schaffe. Jeder Baum zähle. Denn in dem Erlass des NRW-Verkehrministeriums, auf den der Ausbauplan fußt und auf den sich Straßen NRW beruft, stehe auch: „Im Zuge der Erhaltungsmaßnahmen außerhalb von Um- und Ausbaumaßnahmen kann mit einer Neugestaltung des Straßenraumes durch Ummarkierung die Verkehrssicherheit nachweislich verbessert werden. Diesem Ziel soll gefolgt werden“, zitiert er aus dem dreiseitigen Schreiben des Ministeriums aus dem Sommer 2019. Die genauen Abmessungen dafür seien „in Abhängigkeit des Zielquerschnitts, der Ausgangsbreiten sowie verkehrlicher Belange in jedem Einzelfall festzulegen“.

Eigentlich sei die B252 schon jetzt auf 20.000 Fahrzeuge täglich ausgelegt – gezählt wurden knapp 6.000, sagt Ricardo Blaszczyk. Mit einem Anteil von 16 Prozent Schwerverkehr. Zusammen mit den langsamen landwirtschaftlichen Fahrzeugen einer der Gründe, warum das Überholen dort mit 2plus1 sicherer gemacht werden soll. Doch warum gerade dort, wo sich B252-Abschnitte davor und danach ohne Baumbestand zeigten?, gibt er zu bedenken. Bei Tempo 100 statt 80 bedeute es eine Zeitersparnis von nur 31 Sekunden auf den 3,4 Kilometern, hat Blaszczyk ausgerechnet und fragt, ob die das Fällen von 99 Bäumen im Alter zwischen 50 und 100 Jahren, 6.100 Quadratmeter Flächenversiegelung und 8.000 Quadratmeter Überbauung für Banketten und Böschungen wert und sinnvoll seien. Der Landesbetrieb plant den Ausbau auf einer Länge von 2,17 Kilometern vom bisherigen zehn Meter breiten, zweistreifigen Querschnitt mit Mehrzweckstreifen auf einen dreistreifigen zwölf Meter breiten Querschnitt (2plus1) mit Einbau von zwei Nothaltebuchten. Im Bereich der übrigen Streckenabschnitte erfolge eine Sanierung in den Bestandshöhen und -breiten.

WhatsApp Google+

Verwandte Artikel

Kommentar verfassen

Artikel kommentieren


* Pflichtfeld